Zwischen Pflicht und Sehnsucht
sorgen, dass du die richtigen Leute triffst.“
Sophie schloss schmerzerfüllt die Augen. Sie hatte so viel Zeit damit verbracht, auf irgendeine Art von Aufmerksamkeit von ihrem Onkel zu hoffen. Nun saß er hier, und sie fühlte nur Übelkeit. Er hatte kein Interesse an ihr, nur an dem, was sie für ihn tun konnte. Vielleicht, dachte sie zum ersten Mal, bin ich ohne seine Aufmerksamkeit besser dran gewesen.
„Du bist deiner Mutter ähnlicher, als ich es für möglich gehalten hätte“, fuhr ihr Onkel fort. „Sie war schön und intelligent und geistvoll. Doch sie hat eine schlechte Wahl getroffen, und schau, was es ihr eingebracht hat. Ein paar verliebte Jahre in einem Kolonialkaff und ein feuchtes Grab.“ Er blickte Sophie intensiv an. „Mach du nicht denselben Fehler.“
„Ich danke Ihnen für das Vertrauen, das Sie mir nun endlich entgegenbringen, Sir, aber ich fühle mich momentan etwas unpässlich.“ Wenn sie das hier nur eine Minute länger aushalten musste, würde sie ihm sein Angebot zusammen mit ihrer Teetasse um die Ohren hauen. Nur der Gedanke an Lady Dayles und Emilys Enttäuschung hielt sie zurück. „Bitte entschuldigen Sie mich.“
Cranbourne stand auf und verbeugte sich knapp, bevor er in hartem Ton erklärte: „Ich werde dir etwas Zeit geben, darüber nachzudenken. Zögere nicht zu lange, Sophie. Gemeinsam können wir viel erreichen.“
Zitternd erhob sich Sophie. Zum ersten Mal hatte er sie bei ihrem Namen genannt. Ihr Zorn verrauchte und hinterließ nur Schmerz und Leere in ihrem Inneren. Mit einem kaum hörbaren Lebwohl eilte sie nach draußen und die Treppe hinauf. Der Flieder verspottete sie, als sie ihr Zimmer betrat und sich aufs Bett warf.
Sie weinte in tiefen, heftigen Schluchzern um das kleine Mädchen, das nur von jemandem geliebt werden wollte, und um die erwachsene Frau, die immer noch auf der Suche war.
Lord Cranbourne stieg in seine wartenden Kutsche, die sofort losruckelte, und ignorierte stoisch die Schmerzen, die sich wieder einmal in seinem linken Arm ausbreiteten.
Die Kleine würde Ärger machen. Er hatte dieses Frühjahr schon genug Probleme damit, ein politisches Amt zu erlangen, das eigentlich leicht zu erringen sein sollte, und, viel besorgniserregender, damit, dass sein eigener Körper ihn im Stich ließ. Dem Ganzen noch ein störrisches Mädchen hinzugefügt, und er konnte nicht garantieren, was bei der Sache herauskommen würde.
Er war es gewöhnt, in jeder Situation alle Variablen zu kennen und im Voraus zu durchschauen, wie der letzte Akt ausgehen würde. In einer Welt, in der Wissen Macht bedeutete, war er ein sehr mächtiger Mann, wenn auch hinter den Kulissen. Für den Großteil seines Lebens hatte ihm das genügt, aber in letzter Zeit, im Angesicht seiner eigenen Sterblichkeit, wurde ihm bewusst, dass er mehr wollte. Er wünschte sich nur etwas von dem Ruhm und der Anerkennung, die ihm zustanden, und das mit einer Heftigkeit, die ihn selbst erstaunte.
Nun war er kurz davor, seine Ziele zu erreichen, und seine sorgfältig vorbereiteten Pläne drohten sich in Wohlgefallen aufzulösen. Er presste die Faust an seine schon wieder schmerzende Brust und fluchte laut. Er würde sich nicht kampflos ergeben.
Als die Kutsche mit einem Ruck zum Stehen kam, trat Cranbourne hinaus auf die Green Street und stieg vorsichtig die Treppen zu seinem Haus hinauf. Er überließ seinen Mantel einem Diener und rief nach seinem Sekretär.
„Ist die Nachricht nach Philadelphia gegangen wie geplant?“, fragte er den kräftig gebauten, extrem tüchtigen Mann.
„In der Tat, ja, Mylord. Es wartet ein Besucher in Ihrem Arbeitszimmer.“
„Fink?“
„Nein, Sir. Es ist Mr. Huxley.“
„Was? Der alte Huxley, hier?“
„Nein, Sir, der junge Herr mit den Landkarten, wenn Sie sich erinnern?“
Cranbourne runzelte die Stirn und sehnte sich nach einem Drink und ein paar Minuten Ruhe.
„Landkarten? Ach ja.“ Um einem nützlichen Freund einen Gefallen zu tun, hatte er einen von dessen Söhnen mit einigen Kartographiearbeiten beauftragt. Mit einem Seufzer betrat er den Raum.
„Lord Cranbourne, Sir.“ Der junge Mann erhob sich. Seine dicken Brillengläser verliehen ihm etwas Eulenhaftes. „Ich habe gute Neuigkeiten. Das Projekt ist vollendet.“
In diesem Moment, als die Nachmittagssonne Jonathan Huxleys wirres blondes Haar zum Schimmern brachte, traf Cranbourne die Inspiration. Der Junge war im richtigen Alter, groß, gut gebaut und ansehnlich genug, wenn er nur diese
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