Zwischen Sehnsucht und Verlangen
hässlichen, breiten Grinsen.
Ihre Gedanken rasten. Sie musste ihm entkommen. Plötzlich fiel ihr ein, dass ihre Finger noch immer den Schlüsselbund umklammerten, sie hob blitzschnell und ohne zu überlegen die Hand und knallte ihn ihm direkt zwischen die blutunterlaufenen Augen.
Der Schmerz ließ ihn wie einen tödlich verwundeten Schakal aufheulen, sein Griff lockerte sich, einen Sekundenbruchteil später ließ er sie los. Sie nutzte den Überraschungsmoment, machte auf dem Absatz kehrt und jagte wie von Furien gehetzt die Treppe nach unten. Auf der letzten Stufe stolperte sie und stürzte zu Boden. Die Angst im Nacken, in der Kehle einen Schrei, wandte sie den Kopf, um zu sehen, ob er eventuell hinter ihr her sei.
Er lehnte, eine Hand übers Gesicht gelegt, vor Schmerz zusammengekrümmt am Treppengeländer. Unter seinen Fingern quoll Blut hervor. Gott sei Dank. Sie schien ihn für den Moment außer Gefecht gesetzt zu haben. Mühsam rappelte sie sich auf, setzte, als sie endlich stand, wie in Trance einen Fuß vor den anderen, ging durch den Hausflur und zur Tür hinaus in Richtung von Ed’s Café.
Ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie sie aussah – der rechte Ärmel ihres Mantels war herausgerissen, und ihre Hosen waren an den Knien zerrissen und blutbefleckt –, ging sie hinein.
Cassie fiel bei ihrem Anblick vor Schreck das Tablett aus den Händen und krachte scheppernd zu Boden. Porzellan- und Glasscherben spritzten auf. „Regan! Mein Gott!”
„Ruf Devin an”, brachte Regan mühsam heraus und ließ sich vollkommen entkräftet auf den nächstbesten Stuhl sinken. „Joe hockt vor meiner Wohnung, er ist verletzt.” Plötzlich drehte sich ihr alles vor Augen.
„Los, mach schon”, befahl Ed Cassie resolut, die noch immer wie angewurzelt auf demselben Fleck stand und Regan entsetzt anstarrte.
Dann marschierte sie auf Regan zu, der anzusehen war, dass sie kurz vor einer Ohnmacht stand, setzte sich auf einen Stuhl vor sie und zog ihren Kopf in ihren Schoß. „Kopf runter und ganz tief einatmen, Herzchen”, kommandierte sie, wobei sie den sechs Gästen, die voller Neugier und Erschrecken die Szene verfolgten, einen scharfen Blick zuwarf. „Worauf wartet ihr noch? Hat keiner von euch starken Männern so viel Mumm in den Knochen, um rüberzugehen und den Dreckskerl dem Sheriff zu übergeben?
Hoffentlich wird’s bald! Und du, Horace, setz deinen fetten Hintern in Bewegung und hol der Armen ein Glas Wasser!”
Befriedigt konnte Ed alsbald konstatieren, dass ihre rauen Befehle Bewegung in ihre Gäste gebracht hatten. Drei von ihnen stürmten hinaus, während Horace eilig ihrer Aufforderung, Regan etwas zu trinken zu bringen, nachkam.
Als Regan einen Moment später den Kopf hob, lächelte Ed sie an. „Gott sei Dank, du hast ja schon wieder ein bisschen Farbe. Dachte schon, du kippst mir um.” Während sie sich zurücklehnte, kramte sie in ihrer Schürzentasche nach ihren Zigaretten. Nach dem ersten tiefen Zug schüttelte sie den Kopf und grinste. „Hoffentlich hast du’s dem Dreckskerl ordentlich gegeben. Verdient hat er es allemal.”
Kurz darauf saß Regan, in der Hand eine Tasse mit heißem Kaffee, wieder einmal in Devins Büro. Das Schlimmste war überstanden, die Panik legte sich langsam, und nach und nach gelang es ihr wieder, klar zu denken.
Cassie saß neben ihr. Sie schwieg. Shane, der zufälligerweise gerade in der Stadt gewesen war und bei seinem Bruder hineingeschaut hatte, lief unruhig wie ein Tiger im Käfig auf und ab. Devin saß hinter seinem Schreibtisch und nahm ihre Anzeige auf.
„Tut mir leid, Ihnen al diese Fragen stellen zu müssen, Regan”, entschuldigte er sich behutsam, „aber je klarer Ihre Aussage ist, desto leichter wird es sein, Dolin zur Rechenschaft zu ziehen.”
„Schon in Ordnung, ich bin ja jetzt wieder okay”, beteuerte sie, während sie noch immer benommen an ihren zerrissenen Hosen herumzupfte. Ihre Knie brannten wie Feuer – was einerseits seine Ursache darin hatte, dass Ed ihr das Desinfektionsmittel fast literweise über die Schürfwunden gekippt hatte, und andererseits von dem Sturz selbst herrührte. „Ich würde es gern sofort hinter mich bringen, ich …”
In diesem Moment wurde die Tür abrupt aufgerissen, und Rafe stand wie ein Racheengel auf der Schwelle. Einen Augenblick lang sah sie nur sein Gesicht – es war weiß vor Zorn, und seine grünen Augen schleuderten feurige Blitze.
Plötzlich schlug ihr das Herz bis zum Hals. Noch
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