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Zwischen uns das Meer (German Edition)

Zwischen uns das Meer (German Edition)

Titel: Zwischen uns das Meer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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bestätigte sie leise.
    »Bitte lass es mich wiedergutmachen.«
    Die Vorstellung, sich ihm wieder zu öffnen und etwas von ihm zu erwarten, war furchterregend. Er hatte ihr schon einmal das Herz gebrochen. Wie sollte sie ihm je wieder vertrauen? Vor allem jetzt.
    Also schwieg sie.
    Er wartete eine ganze Weile und sah sie nur an. Schließlich seufzte er leise, verließ das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
    Jolene zählte die Tage, bis ihre provisorische Prothese fertig war. Als es so weit war, kam Conny mit einem strahlenden Lächeln ins Zimmer marschiert. »Sind Sie bereit für ein Upgrade, soldier girl ?«
    »Ich bin bereit«, antwortete sie.
    Er schob ihr den Rollstuhl ans Bett, und sie stieg schon viel müheloser hinein.
    Den gesamten Weg zum Physiotherapieraum versuchte sie sich sowohl für einen Triumph als auch für eine Niederlage zu wappnen. Wenn sie scheiterte, wollte sie sich nicht noch mal unterkriegen lassen.
    Im Physiotherapieraum rollte Conny sie direkt zum Barren.
    Ihr war noch nie aufgefallen, wie bedrohlich dieses Gerät eigentlich aussah. Als sie die glänzenden Holme anstarrte, kam eine Mitarbeiterin mit ihrer Prothese und hielt sie ihr hin. Sie sah aus wie ein Baumstamm mit einem Fuß.
    »So, Jolene.« Conny hockte sich vor sie, so dass er ihr direkt in die Augen sehen konnte. »Heute geht’s nicht ums Gehen. Ihre rechte Hand kann Ihr Gewicht noch nicht tragen.«
    »Vielleicht wird sie das nie können.«
    »Darum kümmern wir uns später.« Er griff nach etwas, das wie ein überdimensionaler Strumpf aussah, und streifte es über ihr Restbein. Dann sah er sie an. »Heute werden Sie stehen.«
    »Das sagen Sie so leicht.«
    Er grinste und half ihr auf die Beine. Sie hielt sich an ihm fest und hüpfte zwischen die Holme.
    Die Mitarbeiterin kniete sich vor Jolene hin und steckte den Beinstumpf in das schalenförmige Ende der Prothese. Es passte genau, war vielleicht sogar ein bisschen eng.
    »Sie ist dran«, sagte die Frau und wich zurück.
    Conny verstärkte seinen Griff. »Alles klar? Ich lasse Sie jetzt los. Versuchen Sie einfach zu stehen.«
    Mit ihrer gesunden Hand umklammerte Jolene den Holm. Die Finger ihrer rechten wollten ihr nicht gehorchen, aber sie legte sie um des Gleichgewichts willen auf den anderen Holm.
    Sie holte tief Luft, um ihre aufs Äußerste gespannten Nerven zu beruhigen. Jetzt kam es drauf an. Wenn sie stehen konnte, konnte sie auch laufen, und wenn sie laufen konnte, konnte sie auch rennen. Vielleicht konnte sie irgendwann einmal sogar wieder fliegen. Tu’s einfach, Jo. Steh.
    »Jolene?«
    Ihr Herz klopfte so rasend schnell, dass sie Conny erst nach kurzer Verzögerung hörte.
    Er stand am Ende des Barrens und lächelte ihr zu.
    Er hatte sie losgelassen. Aber wann?
    Langsam sah sie an sich herunter.
    Sie stand. Sie stand .
    Es war kaum zu glauben. Sie sah Conny durch einen Tränenschleier an.
    »Ja, ja, soldier girl .«
    Eine Ewigkeit stand sie einfach nur da und verbesserte ihre Balance. Sie übte, beide Hände von den Holmen zu heben. Es tat weh, mit ganzem Gewicht auf der Prothese zu stehen, aber darum kümmerte sie sich nicht.
    Dann umfasste sie mit ihrer gesunden Hand wieder den Holm und bewegte ihr rechtes Bein einen Schritt vorwärts.
    »Das ist zu schnell, Jo, nicht …«
    Sie ignorierte ihn. Es fühlte sich gut an, eine eigene Entscheidung zu treffen, ihre Grenzen zu überwinden. Ihren künstlichen Fuß musste sie ziehen. Er fühlte sich schwer und sperrig an, aber sie schaffte es. Sie ging.
    Sie machte einen weiteren Schritt nach vorn. Es fühlte sich an, als wären in der Fassung Zähne, die ihr ins Fleisch bissen und es zerfetzten. Jedes Mal, wenn sie die Prothese belastete, zuckte sie zusammen, und als sie die Mitte des Barrens erreicht hatte, schwitzte sie so heftig, dass ihre Hände glitschig wurden. »Ich brauche Handschuhe«, sagte sie keuchend.
    »Für einen Tag reicht das, Jo.«
    Wieder ignorierte sie ihn, packte den Holm mit ihrer gesunden Hand, stand auf ihrem gesunden Bein und zwang sich zu einem weiteren Schritt.
    Der Schmerz wollte sie daran hindern.
    Konzentration, Jo.
    Langsam löste sie ihre Hand vom Holm. Dann legte sie ihr gesamtes Gewicht auf die Prothese, ignorierte den Schmerz, der ihr den Oberschenkel hinaufschoss und wie ein heißes Messer in ihre Hüfte fuhr, und machte einen weiteren Schritt. Es dauerte eine Ewigkeit, aber es gelang ihr, ganz allein bis zum Ende des Barrens zu gehen. Als sie schließlich schwitzend, hochrot und

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