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Zwischen uns das Meer (German Edition)

Zwischen uns das Meer (German Edition)

Titel: Zwischen uns das Meer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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Familie. Das war erstaunlich einfach. Sie verbrachte ihre Tage im Rehazentrum, wo sie hart trainierte und immer selbständiger wurde, und kam abends nach Hause, bat Mila um Hilfe und verschwand in ihrem Zimmer. Wein und Schlaftabletten dämpften ihre Schmerzen so weit, dass sie schlafen konnte. Abend für Abend hörte sie auf der anderen Seite ihrer Zimmertür ihre Familie reden, lachen und fernsehen. Sie lebten ihr Leben ohne sie weiter, und bei jedem Lachen von ihnen sank sie tiefer in dumpfe Dunkelheit, bis sie sich kaum noch vorstellen konnte, daraus jemals wieder hervorzukommen.
    Einsam und verlassen lag sie in ihrem Bett, von aller Welt abgeschnitten, und wusste, dass sie aufgab, kapitulierte. Aber sie konnte nichts dagegen machen. Woran sollte sie sich denn festhalten? Wer sollte ihr denn helfen, ihren neuen, gefährdeten Platz zu behaupten? Ihre Kinder hatten Angst vor ihr, und sie hatte Angst vor sich selbst, Angst, sich selbst nicht mehr trauen zu können. Tami war zu krank, um ihr zu helfen, und auch das war Jolenes Schuld. Ganz gleich, wie oft sie sich einredete, dass nicht sie den Absturz verursacht hatte: Das Schuldgefühl wartete in der Dunkelheit auf sie wie ein Geier, der an ihren Knochen nagen wollte. Sie rief oft in Deutschland an und redete mit Carl, aber sie beide wussten, dass sie sich verzweifelt danach sehnte, mit seiner Frau zu sprechen. In letzter Zeit waren ihre Gespräche immer gezwungener geworden; ihre Hoffnung schwand zunehmend.
    Vor Michael hatte sie auch Angst, vielleicht sogar am meisten. Ständig sagte er das Richtige, die Worte, nach denen sie sich sehnte, aber er liebte sie nicht wirklich. Wie auch? Er hatte aufgehört, sie zu lieben, als sie auf ihrem Höhepunkt gewesen war; wie sollte er sie da an ihrem Tiefpunkt lieben?
    Wenn sie ihm in einem Moment der Schwäche glaubte, dann würde er ihr noch den letzten Rest an Stolz nehmen – zumindest befürchtete sie das.
    Jeden Morgen schwor sie Besserung, aber jeden Abend saß sie wieder in ihrem Zimmer und nahm Schlaftabletten. Und immer noch hatte sie Alpträume.
    »Heute gehst du mit mir zum Gericht«, verkündete Michael eines Morgens Mitte Oktober, nachdem er ohne anzuklopfen in ihr Zimmer geplatzt war.
    »Nein, danke«, erwiderte sie.
    Er ging zum Nachttisch und nahm die leere Weinflasche. »Wenn du nicht selbst gehst, dann trage ich dich.«
    Sie setzte sich auf. »Ich war schon seit Jahren nicht mehr mit dir im Gericht.«
    »Aber heute kommst du mit. Mom hat zugesagt, sich um die Mädchen zu kümmern. Wir müssen die Fähre um zehn vor acht erwischen.«
    »Aber Conny …«
    »War einverstanden.«
    Sie starrte ihn an. »Na schön«, sagte sie schließlich.
    Sie brauchte – natürlich – eine Ewigkeit, um sich fertigzumachen, und als es so weit war, kehrte sie in ihr Zimmer zurück und betrachtete sich in dem großen Spiegel.
    Aus einer gewissen Distanz würde sie wahrscheinlich keinerlei Aufmerksamkeit erregen. Die hässliche Beinprothese bemerkte man erst, wenn man näher kam oder sie laufen sah.
    »Du siehst wunderschön aus«, bemerkte Michael von der Türschwelle aus.
    Sie drehte sich ungelenk auf einem Fuß um.
    Michael musterte sie von oben bis unten, verweilte mit dem Blick auf ihren Haaren, die ihr schon weit über die Schultern fielen, auf dem grünen Pulli, der am Ausschnitt nur ein bisschen nackte Haut zeigte, und der schwarzen Hose, die ihr amputiertes Bein gut verbarg.
    »Vielleicht sollte ich noch nicht in die Öffentlichkeit gehen«, sagte sie.
    »Doch, das solltest du. Conny meint auch, du seiest bereit.« Er bot ihr seinen Arm. Sie umfasste ihn und ließ sich von ihm stützen, während sie langsam ins Familienzimmer ging, wo die Mädchen und Mila warteten. Wieder einmal brach es ihr das Herz, als sie bemerkte, wie misstrauisch ihre Kinder sie ansahen.
    Mila erhob sich. »Hast du die Tabletten, Michael?«
    »Ich hab alles«, antwortete er.
    Mila kam zu ihnen. Jolene bemerkte, dass die Mädchen blieben, wo sie waren.
    »Du schaffst das«, sagte Mila.
    Erinnerungen und eine schmerzliche Sehnsucht an ihr früheres Leben überfielen Jolene, als sie das hörte. Wie oft hatte Mila sie im Laufe der Jahre ermutigt und war ihr zur Seite gestanden? Mila war es gewesen, die ihr in den fruchtlosen Jahren nach Betsy immer und immer wieder gesagt hatte, dass es noch Hoffnung gab und sie bestimmt noch ein Kind bekommen würde.
    Jetzt stieg ein altvertrautes Bedürfnis in Jolene auf, ihre Schwiegermutter stolz zu machen; das

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