Zwischen uns das Meer (German Edition)
mit munterem Geplauder zu durchbrechen, aber bald schwand auch ihr der Mut. Schließlich schaltete Michael das Radio ein, um das Schweigen zu übertönen.
An der Eingangskontrolle des Stützpunkts hielt Michael und gab einem sehr ernst wirkenden jungen Mann in Uniform ihre Pässe.
»Sie können passieren, Sir«, sagte der Wachtposten schließlich und gab ihm die beiden Pässe zurück.
Auf dem Stützpunkt herrschte große Betriebsamkeit. Überall waren Wagen, Trucks und Menschen in Uniform. Betsy las die Instruktionen und leitete sie zu einem Parkplatz, wo sie ein Schild fanden, das sie zur Einberufungszeremonie im Hangar wies.
Schweigend gingen sie zum Hangar, einem riesigen, an einer Seite offenen Gebäude mit Helikoptern, kleineren Flugzeugen und Frachtflugzeugen. Ein Bereich war für Reihen mit Metallstühlen reserviert worden. An der hinteren Wand war ein Holzpodium errichtet worden. Links davon stand ein riesiger Bildschirm. Über dem Podium spannte sich ein großes Spruchband mit der Aufschrift Passt auf euch auf, Raptors.
In der Mitte des Hangars standen zwei Black Hawks, um die sich viele Kinder und Erwachsene gleichermaßen scharten. Davor lagen auf einem langen, niedrigen Tisch Flyer über alles Mögliche – von posttraumatischer Belastungsstörung über Vorsorgemaßnahmen bei Suizidgefährdung bis zu Sommercamps für Kinder und Jugendliche.
Die Familie nahm in der vordersten Reihe Platz. Lulu saß auf Michaels Schoß, schmiegte sich an ihn und lutschte an ihrem Daumen – sie tat nicht mehr so, als hätte sie damit aufgehört. Im Laufe der nächsten halben Stunde füllte sich der Hangar mit Menschen – meist Frauen mit Kindern und ältere Männer –, die Plakate und Blumen mitgebracht hatten. Bei den Helikoptern versammelte sich die Presse: eine hübsche Frau in blauem Kostüm sprach in ein Mikrofon.
Als sich eine Seitentür öffnete, wurde es still in der Menge. Musik ertönte; fünf Soldaten in Uniform kamen mit Instrumenten in der Hand herein. Nachdem sie zu Ende gespielt hatten, nahmen sie vor einer Reihe Fahnen an der Wand Aufstellung: hoch aufgerichtet, die Schultern gestrafft, das Kinn nach vorn gereckt.
Ein Mann in Uniform betrat das Podium und hieß mit Hilfe des Mikrofons alle zu diesem bedeutsamen Tag willkommen. Dann drehte er sich um, gab einen Befehl, und die riesigen Tore des Hangars gingen langsam und mit einem durchdringenden Quietschen auf, das den ganzen Raum erfüllte. Hinter den Toren warteten die sechsundsiebzig Soldaten, die die Fliegereinheit der Raptors bildeten.
Dort standen sie, mit unbewegter Miene, bereit zum Aufbruch. Ganz vorn, in der vordersten Reihe, sah Michael seine Frau; inmitten ihrer Zweitfamilie wirkte sie hochgewachsen und stark. Chief Warrant Officer Zarkades. Er erkannte sie kaum. Sie war der Offizier, der die Verantwortung für einen Vierzig-Millionen-Dollar-Helikopter und unzählige Menschenleben hatte.
Ein Soldat stellte sich vor die Truppe und sagte etwas, was mit Salut endete, worauf die Raptors salutierten und in den Hangar marschierten.
» Ladies und Gentlemen, bitte erheben Sie sich für die Nationalhymne!«
Michael beobachtete all das wie aus großer Distanz. Nach der Nationalhymne sammelten sich die Mitglieder der Einheit und stellten sich breitbeinig und mit den Händen hinter dem Rücken auf, während der Kommandant des Stützpunkts den Redner ankündigte. Zwei Uniformierte rollten feierlich eine Fahne ein und räumten sie weg. Erst wenn die Truppen aus dem Krieg zurückgekehrt waren, würde sie wieder aufgerollt.
Dann betrat der Gouverneur des Staates Washington das Podium. Es wurde still im Hangar. Nur noch das Weinen der Babys war zu hören.
»Sie alle kennen diese tapferen Männer und Frauen, die hier vor mir stehen«, begann er. »Es sind unsere Brüder und Schwestern, unsere Nachbarn, unsere Eltern, unsere Kinder und unsere Freunde. Sie sind unsere Helden. Mit Worten kann man nicht ausdrücken, wie dankbar wir diesen Soldaten, ihren Familien und all denen sind, die unsere Truppen unterstützen. Wir Zurückbleibenden, wir Geschützten sind uns vollkommen bewusst, welchen Mut Sie aufbringen müssen und welches Opfer Sie bringen. Und dafür danken wir Ihnen.« Der Gouverneur blickte von seinen Notizen auf und beugte sich näher zum Mikrofon. »Vor mir steht die Charlie Company, die heute in den Krieg zieht. Wir können alle stolz darauf sein, dass sie bereit ist, unserem Land diesen großen Dienst zu erweisen. Wir stützen uns auf
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