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Zwischen uns das Meer (German Edition)

Zwischen uns das Meer (German Edition)

Titel: Zwischen uns das Meer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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jeden Tag an euch und habe euch lieb. Bis zum Mond und wieder zurück.
    Nicht vergessen: In nur einundneunzig Tagen bin ich schon wieder bei euch. Disneyland??? Tausend Küsse.
    Mom
    Eine Hitze wie im irakischen Sommer hätte Jolene sich niemals vorstellen können. Der Staub war überall – in ihren Haaren, ihren Augen, ihrer Nase. Ihr Schweiß war körnig, und sobald sie geduscht hatte, fing sie schon wieder an zu schwitzen.
    Vom ersten Tag vor Ort an hatte sie gewusst, dass jeder Atemzug ihr letzter sein konnte. Ihre Nächte waren nicht besser: Sie träumte von Feuer und Bomben und von Kindern, die das Gesicht ihrer Mutter vergaßen. Gezwungenermaßen machte sie ihren Frieden mit dem Tod.
    Mehr Angst hatte sie vor Verletzungen: Die Bomben zerfetzten einen, rissen einem einfach Arme und Beine ab.
    Nie war sie ihrer Angst näher als an einem Tag wie heute.
    Sie hatte sich auf einer »Heldenmission« befunden, was hieß, dass sie über die Wüste geflogen war, um das einzusammeln, was von Gefallenen übriggeblieben war.
    In letzter Zeit hatte sie viel zu viele solcher Missionen unternommen; jedes Mal, wenn sie die Zeremonie beobachtete, stellte sie sich vor, wie sie oder einer aus ihrer Crew im Lazarett lag, irreparabel verstümmelt und mit wächsernem Gesicht stöhnend.
    Jetzt stand sie ein Stückchen vom Eingang des Lazaretts entfernt, zusammen mit den anderen Crews, die auf die Mission geschickt worden waren. Sie alle hielten sich gerade, trotz der sengenden Hitze. Jolene und Tami hätten als Piloten bei ihren Hubschraubern bleiben können, aber das erschien ihnen nicht richtig. Also standen sie hier zusammen mit ihrer Crew, um ihren Respekt zu erweisen.
    Das abgelegene Lazarett kochte in der Mittagshitze. Es bestand aus einer Reihe schmutzig weißer Zelte, die durch aus Holz gezimmerte Mittelgänge miteinander verbunden waren. Die Böden in den Zelten waren aus Beton gegossen und hatten lauter Flecken aus dunklem getrocknetem Blut. Jolene ging nicht hinein; sie musste hier warten. Die Prozedur der Heldenmission war genau festgelegt.
    Außerdem wusste sie, wie es in den Zelten aussah: Dort waren Reihen von Betten mit Verletzten und Toten. In der heutigen Zeit konnte man die grausamsten, verheerendsten Verwundungen überleben. Die Lazarettärzte vollbrachten wahre Wunder.
    In den Zelten lagen nicht nur Soldaten, sondern auch irakische Zivilisten, Kinder und Frauen, die einer explodierenden USBV zu nahe gekommen oder unter Mörserbeschuss geraten waren. Der Gestank, noch verstärkt durch die gnadenlose Hitze, war unerträglich.
    Ein Arzt duckte sich unter dem Zelteingang hindurch und hielt ihn für sechs Soldaten auf, die vier Bahren herausschoben. Auf jeder lag ein schwarzer Plastiksack mit den Überresten eines Soldaten.
    Jolene und Tami standen sofort still und salutierten. Sie wechselten einen ernsten Blick, der ihrer Stimmung entsprach: Jede dachte daran, wie sie sich fühlen würde, läge die andere in einem dieser Säcke. Irgendwo in der Nähe schlug ein Mörser ein und explodierte. Sie zuckten nicht einmal zusammen.
    Der Arzt wirkte so erschöpft wie Jolene. Er legte seine Hand nacheinander auf jeden schwarzen Sack und sagte nur: »Danke.«
    Jolene spürte einen Kloß im Hals. Sie blickte auf die Bahren, weil sie wusste, dass die Gefallenen diese letzte Respektbezeugung verdienten. Einer der Säcke war klein, viel zu klein, eine üble Sache. Das bedeutete, dass Körperteile fehlten. Wahrscheinlich die Auswirkung einer USBV oder RPG . Neben jeder Leiche lag ein kleiner durchsichtiger Plastikbeutel mit dem persönlichen Eigentum. Obwohl ein Beutel mit blutigen Fingerabdrücken verschmiert war, konnte sie eine Armbanduhr, die Hundemarke und einen Ehering darin sehen.
    Unwillkürlich dachte sie daran, wie Betsy Jolenes Hundemarke genommen und gefragt hatte, ob man sie damit identifizieren würde …
    Einen Moment lang herrschte noch Schweigen, dann sagte jemand im Zelt: »Captain Craig«, und der Arzt ging wieder hinein.
    Die beiden Crews der Black Hawks folgten den Soldaten mit ihren Bahren durch den Stützpunkt zu den wartenden Hubschraubern. Auch hier war die Prozedur des Transports genau vorgeschrieben. An Jolenes und Tamis Helikopter salutierten Jamie und Smitty noch einmal vor den Bahren; dann luden sie die Gefallenen mit äußerster Vorsicht in den Hubschrauber.
    Dabei kamen Soldaten, manche in Uniform, manche in Zivilkleidung, von allen Seiten des Stützpunkts, nahmen in zwei geraden Reihen vor der

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