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Zwischen uns das Meer (German Edition)

Zwischen uns das Meer (German Edition)

Titel: Zwischen uns das Meer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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hatte er in den vergangenen Wochen ein paar Mal einen Brief angefangen, ihn aber jedes Mal vor dem Absenden wieder gelöscht. Er schämte sich so für das, was er getan hatte; wie sollte er ihr nur mit einem Brief begreiflich machen, dass sich alles geändert hatte?
    Er ging durchs Familienzimmer in sein Arbeitszimmer, setzte sich dort an den Computer und fuhr ihn hoch.
    Jolene, begann er, stoppte dann, löschte es und fing von vorn an.
    Meine Jo,
    weißt Du noch, wie ich Dich zum ersten Mal so nannte? Wir waren im Arboretum in einem Ruderboot und beobachteten Entenküken, die durch das Schilf paddelten. Du sagtest: ›Ich frage mich, wie sie ihre Mom finden‹, und da begriff ich, wie sehr Du in Deiner Kindheit verletzt worden warst. Du brauchtest lange Zeit, bis Du mir davon erzählen konntest, und als Du endlich so weit warst … da erkannte ich, dass Du mich liebst. Wenn ich Dir früher in die Augen blickte, sah ich meine eigenen Träume. Wann haben wir uns zum letzten Mal wirklich in die Augen gesehen? Wie auch immer: zurück zu den Enten. Ich sagte: ›Sie wissen es einfach. Genau wie ich weiß, dass Du meine Jo bist.‹
    Ich will auch dein sein, sagtest Du.
    Ich hab Dich so sehr geliebt, dass es weh tat. Früher lag ich nachts wach und stellte mir vor, wie ich Dich verlieren könnte, immer wieder. Verrückt, oder? Aber so war es. Ich liebte Dich so sehr, dass ich darüber nachdenken musste, wie ich Dich verlieren könnte, sonst hätte ich mich selbst verloren. Hast Du mich auch so geliebt?
    Ich glaube ja.
    Also, was ist passiert? Wann hörten wir auf, ein Liebespaar zu sein und waren erst nur noch Eltern der Mädchen und dann WG-Partner? Wann fing ich an, die Schuld bei Dir anstatt bei mir zu suchen? Ich glaube, der Tod meines Vaters war Auslöser für vieles. Ich hatte noch nie einen geliebten Menschen verloren – ich wusste nicht, wie es sich anfühlt, mitten entzweigerissen zu werden. Und ich konnte nicht gut damit umgehen. Ich glaube, ich habe für alles, was in meinem Leben schiefging, Dir die Verantwortung gegeben.
    Ist es zu spät, noch mal von vorn anzufangen?
    Ich hoffe nicht.
    Ich dachte, ich hätte erkannt, dass wir uns auseinandergelebt hätten, aber jetzt weiß ich, dass ich mich geirrt habe. Ich weiß, wie weh ich Dir getan habe, und das tut mir leid.
    Es tut mir leid. Das weiß ich jetzt. So vieles tut mir leid. Ich schätze, der Krieg verändert nicht nur die unmittelbar daran Beteiligten. Wir an der Heimatfront haben auch einiges zu bewältigen.
    Ich vermisse Dich.
    Er starrte auf die E-Mail. Sie war so kurz. Wie nichtig war sein Es tut mir leid doch angesichts dessen, was sie durchmachte.
    Konnte sie ihm verzeihen? Es gab nur einen Weg, das herauszufinden.
    Er drückte auf Senden .
    Als Jolene das Bewusstsein wiedererlangte, tränten ihr die Augen und sie schmeckte Blut. Sie rief noch einmal nach ihrer Crew, bekam aber keine Antwort. Tami hing bewusstlos neben ihr in ihrem Gurt.
    Jolene versuchte sich abzuschnallen. Beim dritten Versuch erkannte sie das Problem: Ihr rechter Unterarm war nur noch eine blutige Masse. Sie konnte kaum die Hand heben, und ihre Finger funktionierten irgendwie nicht. Also beugte sie sich über das verbrannte, sengend heiße Armaturenbrett und versuchte mit der linken Hand einen Notruf über Funk abzugeben.
    »Mayday«, sagte sie. Sie hatte große Mühe, sich zu konzentrieren und zu sprechen. Aber das Funkgerät funktionierte nicht. Erneut verlor sie das Bewusstsein. Als sie es wiedererlangte, gab sie über Funk ihre Koordinaten durch, weil sie hoffte, das Gerät würde nun funktionieren. Eigentlich brauchte sie das CSEL . Wo war es? Denk nach.
    »Tami«, sagte Jolene und versuchte ihre beste Freundin zu berühren, aber sie konnte sich nicht bewegen. Erneut wollte sie sich abschnallen, aber vergeblich; irgendwas stimmte nicht mit ihr. Ihr Körper reagierte nicht. Irgendwas stimmte nicht mit ihrem rechten Fuß.
    Taptaptap.
    Sie gerieten wieder unter Beschuss. In der Ferne hörte sie Männer in einer gutturalen Sprache sprechen, dann donnerten Schritte auf sie zu.
    Ich muss hier raus und eine Deckung aufbauen.
    Taptaptap.
    Wir sind immer noch unter Beschuss.
    Sie versuchte ihre Waffe zu ziehen, aber ihre rechte Hand gehorchte ihr nicht.
    Schließlich schaffte sie es, sich abzuschnallen und dann unter Schmerzen durchs Cockpit zu kriechen. Sie packte Tami, schnallte sie ab und zog an ihr. Tami glitt mit leerem Blick und schlaffem Mund zur Seite. Jolene löste mühsam

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