Zwischen uns das Meer (German Edition)
weiß ich nicht, und über den Rest der Crew darf ich keine Auskunft geben. Aber ich weiß, dass Ihre Frau am Leben und so weit stabil ist. Sie wurde in Balad medizinisch versorgt und befindet sich nun auf dem Weg nach Landstuhl in Deutschland.«
Vor lauter Erleichterung sank Michael auf die Knie. »Gott sei Dank«, murmelte er. Er hörte, wie die Mitarbeiterin des Roten Kreuzes etwas über das Krankenhaus erzählte, bekam aber kaum etwas mit.
Er legte auf und ging hinaus in die dunkle Nacht. Jo, du wirst nach Hause kommen … du wirst wieder gesund werden …
Einen Moment lang war er so in Gedanken, dass er erst nach einer Weile den Mann bemerkte, der auf dem Anleger am Strand stand. Obwohl er nur eine Silhouette im Licht einer etwas weiter entfernten Straßenlampe sah, wusste er, wer das war.
Er zog die Haustür hinter sich zu, ging die Einfahrt hinunter und hörte, wie seine Schritte im Kies knirschten. Die Nachtluft roch leicht schwefelig nach Ebbe.
»Carl?« Er trat näher zu dem Mann. »Ist Lomand heute auch zu euch gekommen?«
Carl nickte. »Ich musste mal raus. Seth ist … verdammt, ich weiß nicht, was ich zu ihm sagen soll. Tamis Mutter ist jetzt bei ihm.«
»Ja, meine Mutter ist auch bei den Mädchen. Wie geht’s Tami?«
»Die verdammten Hunde von der Armee und dem Roten Kreuz wollten mir nichts sagen. Sie lebt, aber ihr Zustand ist kritisch. Mehr weiß ich nicht. Und Jo?«
»Am Leben und stabil. Mehr weiß ich auch nicht. Auch nicht über den Rest der Crew.«
»Ich hab heute einen Brief von Tami gefunden. Ich schätze, sie hat ihn vor dem Einsatz gemailt. Sie klang so …« Carl stockte für einen Moment. Dann sagte er leise: »Danach hab ich ihn noch mal gelesen und mich gefragt, ob das ihre letzten Worte waren.«
Da Michael nicht wusste, was er sagen sollte, hielt er den Mund. Aber das Schweigen konnte er auch nicht ertragen. »Hast du für morgen einen Flug gekriegt«, fragte er schließlich.
»Ja, du auch?«
»Ja.« Michael starrte aufs schwarze Wasser und hörte, wie es ans Ufer rauschte. Je länger er hier stand, desto unbehaglicher fühlte er sich. Zwar hatten Carl und er endlich etwas gemeinsam, aber das brachte sie immer noch nicht zusammen. »Tja, ich geh dann mal besser wieder zu den Mädchen. Wir sehen uns morgen.«
»Alles klar.« Carl zögerte und wandte sich zu ihm. »Danke, dass du hier runtergekommen bist, Michael.«
Michael nickte und ging zurück ins Haus, doch kaum war er dort, wünschte er fast, er wäre bei Carl geblieben. Alles hier erinnerte ihn an Jo.
Ich hab einen Brief gefunden …
Er ging ins Arbeitszimmer, schaltete den Computer ein und rief sein E-Mail-Account auf.
Und da war sie im Posteingang: Jolenes E-Mail-Adresse von der Armee, in großen schwarzen Buchstaben.
Wann hatte sie die E-Mail geschrieben? Gestern, vor ihrem Flug?
Er klickte sie an.
Meine Lieben,
danke für euer Care-Paket, das ihr mir diese Woche geschickt habt. Ich kann euch sagen, ich war der Star des Stützpunkts. Alle kamen, weil sie was von meinen Leckereien wollten, und die Baklava war einfach umwerfend. Ein einziger Bissen und ich musste sofort an euch denken! Bittet Yia Yia doch mal, euch die Geschichte zu erzählen, wie sie mir beigebracht hat, es zu machen. Eins ist sicher: Ich war nicht ihre beste Schülerin! Lange nicht so gut wie Betsy. J
Wisst ihr, was mich noch an zu Hause denken lässt? Das Wetter hier. Es ist September, und das bedeutet Regen, sogar hier in der Wüste. Der Stützpunkt ist eine einzige große Schlammpfütze. Dir würde es gefallen, Lulu! Spritz, spritz!
In letzter Zeit gibt’s hier ziemlich viel Routine. Ich bin oft geflogen. Neulich flogen wir zur sogenannten Green Zone und bekamen dort selbstgemachte Milchshakes! Köstlich!
Der Black Hawk ist mittlerweile mein zweites Zuhause. Er ist ungeheuer gut ausgerüstet und reagiert auf Knopfdruck. Wann immer ich auf das GPS blicke, denke ich an euch und an zu Hause und zähle die Tage, bis ich wieder daheim bin.
Ich weiß, dass ihr mich bis dahin sehr vermisst. Ihr sollt wissen, dass ihr mir genauso fehlt. An euch denke ich morgens als Erstes und abends als Letztes.
Lulu, ich kann es gar nicht erwarten, von Deinem ersten Schultag zu hören, und zwar in allen Einzelheiten. Ich weiß, Du hast immer noch ein bisschen Angst, aber denk daran, dass es den anderen genauso geht. Hast Du schon neue Freunde gefunden? Wie ist Deine Lehrerin? Erzähl mir alles!
Betsy, ich weiß, dass Du Dich in letzter Zeit manchmal
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