Zwischen uns die Zeit (German Edition)
schon gesagt, dass mein Mann und ich dich gerne zu uns zum Abendessen einladen würden, um dich besser kennenzulernen?«
» Nein, hat sie noch nicht, aber…«
» Wie wäre es mit Dienstag?«
» Dienstag?« Bennett sieht mich an und ich senke peinlich berührt den Kopf. » Dienstag passt sehr gut«, höre ich ihn mit einem Lächeln in der Stimme sagen.
» Wunderbar. Dann also bis Dienstag!«
Als meine Mutter verschwunden ist, legt Bennett mir einen Arm um die Schulter und führt mich in den Aufzug.
» Tut mir leid, dass sie dich so überrumpelt hat«, entschuldige ich mich, während wir nach unten fahren.
» Unsinn. Ich kann absolut verstehen, dass deine Eltern mich näher kennenlernen möchten, außerdem freue ich mich darauf. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich das letzte Mal mit meinen Eltern zu Abend gegessen habe. Wir machen das nicht besonders oft.«
» Wir auch nur an Dienstagen. Dad schließt dann immer den Laden früher und Mom übernimmt den Frühdienst auf ihrer Station. Es ist ihr sehr wichtig, dass wir wenigstens an einem Tag in der Woche alle zusammen um einen Tisch sitzen.«
Mittlerweile sind wir in der Eingangshalle angekommen und treten auf den Parkplatz hinaus, wo wir Hand in Hand auf seinen Jeep zuschlendern. Als Bennett mir die Beifahrertür öffnet und wir einsteigen, denke ich wehmütig daran, wie unbeschwert wir gestern noch in diesem Wagen gesessen und unser Frage-und-Antwort-Spiel gespielt haben.
» Alles okay?«, fragt er mich leise, nachdem wir das Krankenhausgelände hinter uns gelassen und uns in den Feierabendverkehr eingefädelt haben.
» Sie waren ganz allein«, sage ich, den Blick auf die regennasse Fahrbahn gerichtet, in der sich der Schein der Straßenlaternen spiegelt. » Justin war vier Stunden allein, bevor seine Eltern kamen, Emma zwei. Ich weiß selbst nicht, warum mich gerade dieser Gedanke so fertigmacht, aber die Vorstellung, dass niemand bei ihnen war, finde ich einfach unerträglich.«
Bennett sieht mich kurz mitfühlend von der Seite an, konzentriert sich dann aber wieder pflichtbewusst auf den Verkehr, als würde er sich genau in dem Moment noch einmal daran erinnern, was er meiner Mutter versprochen hat.
Wir schweigen eine Weile, bis ich schließlich das sage, was ich schon die ganze Zeit denke. » Ich war nicht da.«
» Das konntest du doch auch gar nicht, Anna. Du hast schließlich erst abends von dem Unfall erfahren.«
Bennett greift nach meiner Hand und allein schon die Berührung tröstet mich. Ich betrachte unsere ineinander verschlungenen Finger und erinnere mich daran, wie ich den Linien in seiner Handinnenfläche nachgespürt habe, während ich mich glücklich an ihn lehnte. Seine Hände fühlen sich inzwischen so vertraut und normal an, dass ich manchmal vergesse, welche außergewöhnlichen Dinge er damit tun kann. Plötzlich durchzuckt es mich, als hätte ich einen Stromschlag bekommen. » Oh mein Gott!« Ich setze mich mit einem Ruck auf. » Fahr bitte mal rechts ran.«
» Warum? Was ist los?«
» Tu mir den Gefallen, Bennett. Bitte.« Ich zittere vor Aufregung und kann nicht glauben, dass mir das nicht schon früher eingefallen ist.
Bennett fährt in eine ruhige Nebenstraße und stellt den Motor aus. Statt mich erwartungsvoll anzusehen, hält er den Blick weiter starr auf die Straße gerichtet, und in diesem Moment dämmert mir, dass er wohl ahnt, was mir gerade durch den Kopf gegangen ist und worum ich ihn gleich bitten werde. Denn auch wenn ich einen Moment lang vergessen habe, welche außergewöhnlichen Fähigkeiten Bennett Cooper besitzt– er selbst vergisst es vermutlich nie.
» Mach den Unfall rückgängig.« Ich drehe mich im Sitz um und sehe ihn an. » Bitte, Bennett. Mach einen Neustart. Lass diesen einen Tag noch einmal von vorn beginnen.«
Er schüttelt den Kopf. » Das kann ich nicht.«
» Doch das kannst du. Du kannst alles ungeschehen machen. Bring uns in die Zeit vor dem Unfall zurück, dann können wir verhindern, dass sie mit Emmas Wagen in die Stadt fahren. Bitte, Bennett!«
Ohne zu antworten, steigt er plötzlich aus, knallt die Tür hinter sich zu und läuft hektisch auf und ab, bis er irgendwann abrupt stehen bleibt und mit der Faust so heftig auf die Motorhaube schlägt, das ich zusammenzucke. Dann setzt er sich auf den regennassen Bordstein und vergräbt den Kopf in den Händen. Als er schließlich nach ein paar Minuten wieder einsteigt, scheint er sich etwas beruhigt zu haben, doch als er die Hände aufs
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