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Zwischenfall in Lohwinckel

Titel: Zwischenfall in Lohwinckel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baum Vicki
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nun in dem kleinen Vorraum stand und mit Müller beriet, sah Müller durch die offengebliebene Tür Folgendes:
    Der Boxer Franz Albert lag auf einer Chaiselongue und sah betrunken aus, was von der guten Dosis Eukodal herkam. Links von ihm saß Frau Profet, hielt seine Hand fest und streichelte sein Haar. Rechts aber stand ein silberner Kübel auf einem Tischchen, darin steckte eine Sektflasche, und daneben glänzten drei Sektgläser. ›Da trinken sie nun Sekt‹ – dachte Müller, ihm wurde plötzlich heiß, und er faßte einen Entschluß. »Lassen Herr Profet es gut sein«, sagte er stramm. »Da nehme ich ihn eben zu mir. Ist ja ein Kollege. Da fahre ich jetzt nach Obanger, da besorge ich alles, da ist ja auch Platz genug für aufzubahren im Schuppen drei.« Und damit drehte er sich schon zur Villa hinaus, mit dem deutlichen Gefühl, daß nun der Menschenwürde des toten Fobianke nicht länger Abbruch getan werden dürfe. Während Herr Profet erleichtert zu seinem Logiergast zurückkehrte und auf Grund der Persentheinschen Anordnungen versuchte, ihm ein wenig Sekt beizubringen, um seine Herztätigkeit aufzupulvern.
    Müller wohnte in einem kleinen Anbau neben der Fabrik und hatte die Oberaufsicht über die drei Lastautos, die Herr Profet seinen Wagenpark nannte. Frau Müller war ein schlichter Mensch mit dem starken Blut und Herzschlag der Weinbauerngegend. Sie wußte selbstverständlich schon alles, was geschehen war, sie erwartete ihren Mann, redete nicht viel und machte gar keine Geschichten, als Müller zuerst das Leichenweibele, Frau Psamatis, ablud, das er gleich mitgebracht hatte, und dann den gestorbenen Kollegen über seine Schulter hängend ins Haus trug.
    Sonderbar und lebendig war ihnen nur dann, als sie ihn auszogen, der Zigarettengeruch seines Dienstanzuges und daß er drei Eheringe trug: ein Witwer, der nochmals geheiratet hatte.
    Müller saß nachher noch vor den Papieren des Toten, und bis spät nachts arbeitete er mit schweren Fingern und besorgtem Gehirn an einem Brief, der folgendermaßen lautete:
    ›Geehrte Frau Fobianke!
    Da infolge Unfalles Ihr Prinzipal nicht in der Verfassung ist, sich zu kümmern, und es doch eilt, so habe ich die schwere Pflicht übernommen, Sie von einem großen Unglück in Kenntnis zu setzen, was Ihren Mann betrifft. Derselbe ist mit dem Wagen in den Graben gekommen und überschlagen, wurde mit schwerer Verletzung wegtransportiert, ich selber habe ihn gefahren. Tut mir so außergewöhnlich leid, Ihnen den Schrecken antun zu müssen, aber er ist noch während der Fahrt verstorben. Der D-Zug geht in Berlin um 22 Uhr 13 abends ab, in Schaffenburg müssen Sie umsteigen, die Station heißt Düßwald-Lohwinckel. Ich kann Sie mit dem Fabrikauto abholen, wenn ich Nachricht von Ihnen habe, auch meine Frau wird alles tun. Man denkt immer, daß es jedem jeden Tag so gehen könnte. Mit tiefer Teilnahme für Ihren tiefen Schmerz verbleibe
    Herbert Müller, Schofför
    bei Otto Profet, Akkumulatorenfabrik.
    Es ist ein Trost, daß der teure Verstorbene einen leichten Tod gehabt hat, ich war dabei.‹
    Da liegt nun Fobianke am nächsten Morgen in Schuppen drei so tief zufrieden, wie gestorbene Menschen zu sein pflegen, und jeder Arbeiter und jede Arbeiterin geht zuerst einmal zu ihm hin, mit entblößtem Kopf und feierlich angerührt. Die katholisch sind, beten ein Vaterunser, und die Sozialistischen und Aufgeklärten falten einfach die Hände, und ihre Stummheit und ihr Stillstehen und Etwas-Spüren ist nicht viel anders als ein Gebet. Um zehn Uhr tritt dann auch Herr Curvier mit zwei Gehilfen in Erscheinung, Besitzer der Schreinerei und Sargtischlerei sowie des Beerdigungsunternehmens A. Curviers Nachfolger. Herr Curvier ist der Nachfolger, Erbe seiner französischen Ahnen, die irgendein Krieg hier am Rhein vergessen hat, ein Mann von Geschmack, der sein Handwerk versteht. Man räumt die Messingplatten, die hier lagern, alle hinaus, man spart nicht an Tannengrün, die Leuchter sind groß, versilbert und die Lichter dick und aus echtem Wachs, bestes Fabrikat des Lebzelters Hannemann hinter der Kirche. Um die Mittagspause, zwischen zwölf und zwölf Uhr dreißig, wenn die Frauen von Obanger ihren Männern die Körbe mit dem Essen zum Fabrikhof bringen, ist alles fertig, es riecht nach Tannen und Festlichkeit, und das Gedränge zum Schuppen drei hin wächst an. Trotzdem es so viele sind, die den verunglückten Schofför sehen wollen, geht es sehr still zu, sie haben ein starkes

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