Zwischenwelten (German Edition)
sind? Da hört er plötzlich eine bekannte Stimme. Er packt Micky am Arm und bleibt stehen, um zu lauschen. »Das ist Ayse!« Er lacht erleichtert. »Hier, hinter dem Zaun.« Er sucht nach einer Öffnung zwischen den von üppigen Wasserpflanzen überwucherten Latten, die ihnen den Weg versperren. »Ayse!«, ruft er drängend. »Ich bin es, Tio. Wo bist du?«
»Tio? He, Tio, hier, auf dieser Seite!«
»Wie komm ich da hin?« Er hört flüsternde Stimmen.
»Bleib, wo du bist«, ruft Ayse. »Hala zeigt mir den Hinterausgang.«
Ungeduldig tritt Tio von einem Fuß auf den anderen, bleibt aber an Ort und Stelle. Er kann es nicht lassen, immer wieder zu rufen: »Ayse, bist du noch da irgendwo?«
Zum Glück dauert es nicht lange, bis seine Freundin auftaucht. Und hinter ihr erscheint Hala, die unruhig um sich späht.
Als sie ihn sieht, sagt sie sofort: »Du darfst nicht so schreien. Wenn mein Bruder dich hört …«
»Wem sagst du das«, schnaubt Tio. »Dieses alte Ekel ist schon die ganze Zeit hinter mir her.«
»Ich zeig euch, wie ihr hier rauskommt. Ihr müsst den zweiten Steg rechts nehmen, an ein paar Häusern vorbei und über eine schmale Brücke, die zur Rückseite der Geschäfte führt. Dann geht so schnell wie möglich nach Sandbach und bleibt da.«
Ayse schaut verwundert auf das Mädchen, das neben Tio steht, aber da keine Zeit ist, die Dinge zu erklären, dankt sie Hala für ihre Hilfe und läuft hinter Tio her, der keine Minute verlieren will und bereits auf dem Weg ist, den Hala ihnen gezeigt hat.
Sie kommen nicht weit. Den Steg haben sie gerade hinter sich, als sie das Trappeln von Füßen hören, die ihnen folgen.
»Jetzt geht’s los«, zischt Micky, die sich rasch umgesehen und Kivan und seine Kumpel erkannt hat. »Wir gehen den Hügel hinauf. Das sind die letzten Ausläufer von Terrasse. Weiter oben ist nichts. Nur Grasland. Hoffentlich kommen uns die Kotzbrocken nicht hinterher.«
»Wie haben sie uns so schell gefunden?«, keucht Tio.
»Was glaubst du?«, spottet Micky. »Durch dein Geschrei vielleicht?«
Beschämt hält Tio den Mund.
Sie verlassen Terrasse. Sie springen vom Steg in das sumpfige Gras und klettern eine steile Böschung hoch. Ziemlich schnell wird das Grasland trockener, und sie können problemlos laufen.
Als sich Tio noch einmal umschaut, sieht er, dass Kivan und seine Kumpane stehen geblieben sind. »Ha, die trauen sich nicht weiter. Kivan hat offensichtlich nur in Terrasse ein großes Maul, aber nach draußen traut er sich nicht.«
Micky nickt. »Ich denke, es wäre nicht klug, Halas Rat weiter zu befolgen, denn das würde bedeuten, dass wir zurück und wieder rein nach Terrasse gehen. Ich glaube, es ist besser, wenn wir auf diesem Ufer bleiben – bis zum Haus von Kenta. Von da aus sehen wir dann weiter.«
»Kenta?«, wiederholt Ayse und schaut Tio fragend an.
»Ich erzähle dir alles unterwegs.«
Sie suchen sich einen Weg am Fluss entlang.
Selbst Micky weiß nicht genau, wie sie gehen müssen, um bei Kentas Haus herauszukommen. »Wir müssen ja nicht am Waldhaus vorbei, und es geht am schnellsten, hab ich mir überlegt, wenn wir am Wasser entlanglaufen. Aber ich hab nicht daran gedacht, dass das Ufer hier so bewachsen ist.«
Tio beißt die Zähne zusammen und trottet hinter Micky her durch den nassen Sand. Er und Ayse erzählen sich, was sie in den letzten Tagen erlebt haben. »Daran kannst du sehen, dass Hala in Ordnung ist«, damit beendet er zufrieden seinen Bericht.
Ayse muss ihm recht geben.
»Aber die Wächterin hat auf mich gezeigt!«, sagt Micky beunruhigt. »Ich glaube, sie hat behauptet, dass ich dir zur Flucht verholfen hab.«
»Vielleicht war es ihr einfach nicht möglich, die Tochter der Maile zu beschuldigen«, überlegt Ayse.
»Na hör mal«, erwidert Micky. »Und dann einfach jemanden beschuldigen, den man nicht einmal kennt? Das ist ja ein Hammer.«
»Hala rückt bestimmt mit der Wahrheit raus, sobald sie von der falschen Anschuldigung hört.« Ayse ist sich ganz sicher.
Sie gehen noch ein Stück, dann wird ihnen auf einmal der Weg von künstlichen spitzen Felszacken versperrt, die im Wasser stecken.
»Da können wir nicht drüberklettern«, meint Ayse. »Wir müssen nach oben.«
Sie verlassen den schmalen Uferstreifen und klettern den Hang hinauf, der mit knorrigen Sträuchern bewachsen ist.
»He, hier gibt es einen Weg.« Tio lacht und gibt Micky vergnügt einen Stoß. »Und wir stolpern die ganze Zeit am Ufer lang.«
Es ist nur ein
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