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Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären

Titel: Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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immer galt ihr es als Ehre, für den Mog-ur zu kochen; aber es war noch mehr. Sie mochte ihren Bruder nach und nach so, wie die anderen Frauen ihren Gefährten mochten.
Iza bedauerte Creb manchmal, der eine eigene Gefährtin hätte haben können. Doch sie wusste, dass trotz seiner großen Zaubermacht und hohen Stellung im Clan keine Frau je seinen missgestalteten Körper und sein vernarbtes Gesicht ohne Abscheu ansah, und sie war sicher, dass auch er es wusste. So nahm er niemals eine Gefährtin; auch nicht mit dem Körper, was ihm zusätzliche Achtung verschaffte. Jeder, vielleicht außer Brun, fürchtete den Mog-ur. Nur Iza nicht, die, seit sie da war, Crebs Sanftmut und Empfindsamkeit erfahren hatte, als eine Seite seines Wesens, die er selten offen zeigte.
Und eben diese Seite regte sich nun wieder; denn statt seinen Geist ganz auf die heilige Handlung zu richten, war der Mog- ur bei dem kleinen Mädchen. Schon immer war er begierig gewesen, etwas über die Leute dieser Art zu erfahren, aber die Clan-Gefährten gingen den Fremdlingen möglichst aus dem Weg, und nie zuvor hatte er eines ihrer Kinder gesehen. Er konnte nicht wissen, dass dieses Beben der Erde das Kind zur Waise gemacht hatte, doch es überraschte ihn, dass die anderen so nahe waren. Gewöhnlich hielten sie sich viel weiter unten im Land auf, dort, wo es in der warmen Zeit viel länger hell blieb als hier oben.
Er sah, wie einige Männer aufstanden, um den Lagerplatz zu verlassen. Er stemmte seinen Stock in die Erde und zo g sich daran hoch; es galt, die Vorbereitungen zu überwachen, denn das Ritual war der Männer Vorrecht und Pflicht zugleich. Selten genug gab es für die Frauen Gelegenheit, an den Beschwörungen teilzuhaben, und von dieser waren sie gänzlich ausgeschlossen. Größtes Unheil wäre über den Clan gekommen, hätte eine Frau je die geheimen Handlungen der Männer beobachtet; die Schutzgeister wären vertrieben, der ganze Clan dem Tod geweiht.
Doch die Gefahr, dass dieses Ungeheuerliche geschehen würde, war gering. Niema ls wäre es einer Frau in den Sinn gekommen, sich auch nur in die Nähe eines so bedeutsamen Ereignisses zu wagen. Davon abgesehen war die Abwesenheit der Männer eigentlich hochwillkommen, konnte man doch endlich einmal ausspannen und machen, was man wollte, ohne gleich von ihnen zu einer Arbeit oder der Vereinigung der Körper gezwungen zu werden, was besonders mühsam wurde, wenn die Männer in der jagdarmen Zeit beim Clan waren und dann, voller Unrast und äußerst reizbar, das Jagdpech die Gefährtinnen entgelten ließen. Auch die Frauen wünschten sich von Herzen, dass man endlich eine neue Höhle fände; sie hätten gerne geholfen, aber zu befehlen oder zu fordern, wohin es gehen sollte, war ihnen verwehrt. Brun bestimmte die Richtung.
Die Frauen wurden nicht um Ra t gefragt. Sie vertrauten den Männern, die führten, die Verantwortung übernahmen und Entscheidungen trafen. Zu einer Veränderung dieser Aufteilung der Arbeit und der Macht war man schon seit langem nicht mehr fähig. Gepflogenheiten, die vor Tausenden von Sommern und Wintern angenommen worden waren, lagen jetzt im Körper beschlossen. Männer wie Frauen fanden sich kampflos damit ab; in Unvermögen erstarrt, würde es ihnen nie gelingen, aus ihrer Haut herauszukommen und sich an das Neue heranzumachen.
Nachdem die Männer nun gegangen waren, versammelten sich die Frauen um Ebra und hofften, auch Iza würde sich zu ihnen hocken, damit endlich ihre Neugier gestillt würde. Doch die Medizinfrau fühlte sich wie erschlagen; erschöpft blieb sie bei dem Kind, das sie nicht allein lassen wollte. Sie legte sich daneben und schlang zärtlich ihr Fell um das schlafende Mädchen, das sie im flackernden Licht des sterbenden Feuers wie gebannt beobachtete. Seltsam, dieses kleine Ding, fand sie. Recht hässlich eigentlich. So ein flaches Gesicht unter der hohen gewölbten Stirn, und die Nase nur ein kleiner Stumpf... Und dieser merkwürdige knochige Auswuchs unter dem Mund... Dabei bewegte Iza die Lippen, als spräche sie zu sich selbst. Wie alt sie wohl ist? Sie ist so groß, das täuscht. Und so mager. Man kann ja die Knochen fühlen, ging ihr durch den Kopf. Beschützend legte sie ihren Arm um den Findling.
Der Mog-ur trat etwas zurück, als die Männer eintrafen. Jeder suchte sich seinen Platz hinter einem der Steine, die ringförmig innerhalb eines größeren Kreises von Fackeln angeordnet waren. Sie befanden sich auf freiem Feld, fern vom Lagerplatz.

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