Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
genauso stark war. Er begriff instinktiv was es war, und während er nach der ausgestreckten Hand griff, wußte er, daß er sie ergreifen mußte, auch wenn sein Bruder ihn nicht aus dem Schwemmsand herausziehen konnte.
Thonolan wußte das zwar nicht, doch als er aufhörte, sich zu wehren, versank er nicht mehr ganz so schnell. Und als er den Arm ausstreckte, um seines Bruders Hand zu ergreifen, legte er sich mit dem ganzen Oberkörper auf den Sand, geriet also nahezu in die Waagerechte und verlagerte sein Gewicht auf dem mit Wasser vollgesogenen, lockeren, schlickigen Sand, so daß er fast darauf schwamm. Er streckte sich, bis ihre Finger sich berührten. Immer näher schob Jondalar sich an ihn heran, bis er fest zupacken konnte.
»So ist’s richtig! Nicht loslassen! Wir kommen!« sagte eine Stimme in der Sprache der Mamutoi.
Jondalars Atem explodierte, es war, als ob die Spannung plötzlich verpuffte. Er stellte fest, daß er zitterte, hielt aber Thonolans Hand fest. Wenige Augenblicke später wurde Jondalar ein Seil zugeworfen, das er seinem Bruder um die Hände band.
»Und jetzt ganz lockerlassen!« wurde Thonolan instruiert. »Streck dich, wie beim Schwimmen. Du kannst doch schwimmen?«
»Ja.«
»Gut! Sehr gut! Nur nicht verkrampfen! Wir ziehen jetzt.«
Hände zogen Jondalar vom Rand des Schwemmsands zurück, und bald war auch Thonolan herausgezogen. Dann folgten sie alle einer Frau, die mit einer langen Stange im Boden herumstocherte. Erst nachdem sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten, schien es den anderen aufzufallen, daß die beiden Männer splitterfasernackt waren.
Die Frau, die ihre Rettung geleitet hatte, trat zurück und musterte sie. Es war eine große Frau, das heißt, nicht eigentlich großgewachsen oder fett, als vielmehr vierschrötig und kraftvoll; außerdem hatte sie eine achtunggebietende Haltung. »Warum habt ihr nichts an?« fragte sie schließlich.
»Wieso seid ihr beiden Männer nackt unterwegs?«
»Wir sind in den falschen Flußarm eingelaufen, und dann hat ein Baumstamm uns gerammt«, begann Jondalar. Ihm war unbehaglich zumute, und es war ihm unmöglich, gerade zu stehen.
»Nachdem wir unsere Kleidung trocknen mußten, dachte ich, zum Durchschwimmen des Flußarms und zum Durchqueren des Schlicks könnten wir sie genausogut ausziehen. Ich eilte voraus und trug sie, denn Jondalar war ja verletzt, und …«
»Verletzt? Einer von euch ist verletzt?« fragte die Frau.
»Mein Bruder«, sagte Thonolan, und als es ausgesprochen wurde, wurde Jondalar sich sehr deutlich des ziehenden und klopfenden Schmerzes in seiner Seite bewußt.
Die Frau sah, wie er weiß wurde. »Mamut muß sich um ihn kümmern«, sagte sie zu einem der anderen. »Ihr seid keine Mamutoi. Wo habt ihr unsere Sprache sprechen gelernt?«
»Von einer Mamutoi-Frau, die bei den Sharamudoi, meiner Verwandtschaft, lebt«, sagte Thonolan.
»Tholie?«
»Ja. Du kennst sie?«
»Sie ist auch meine Verwandte. Die Tochter einer Base von mir. Wenn du zu ihrer Verwandtschaft gehörst, bist du auch mein Verwandter«, sagte die Frau. »Ich bin Brecie von den Mamutoi, Anführerin des Weidenlagers. Ihr seid willkommen.«
»Ich bin Thonolan von den Sharamudoi. Und dies ist mein Bruder Jondalar von den Zelandonii.«
»Ze-lan-don-ji?« sprach Brecie das ungewohnte Wort aus. »Von einem solchen Volk habe ich noch nie gehört. Aber wenn ihr Brüder seid, wieso bist du dann Sharamudoi, und er ein … Zelandonji? Er sieht nicht gut aus«, sagte sie und brach damit die Unterhaltung ab, bis sie sie an einem günstigeren Zeitpunkt wieder aufnehmen konnte. Dann sagte sie zu einem der anderen: »Helft ihm. Ich glaube, er kann nicht gehen.«
»Ich glaube, ich kann doch gehen«, sagte Jondalar, dem sich vor Schmerz plötzlich alles drehte. »Wenn es nicht zu weit ist.«
Jondalar war dankbar, als einer der Mamutoi seinen Arm nahm, während Thonolan ihn auf der anderen Seite stützte.
»Jondalar, ich wäre schon längst ausgezogen, wenn du mir nicht das Versprechen abgenommen hättest, solange zu warten, bis du wieder reisefähig bist. Jetzt reise ich ab. Ich bin der Meinung, du solltest nach Hause zurückkehren, aber ich will nicht mit dir streiten.«
»Warum willst du gen Osten ziehen, Thonolan? Du hast das Ende des Großen Mutter Flusses erreicht. Das Binnenmeer liegt direkt vor uns. Warum jetzt nicht heimkehren?«
»Ich gehe gar nicht nach Osten. Ich ziehe vielmehr gen Norden – mehr oder weniger jedenfalls. Brecie sagt, sie werden bald alle zur
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