Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
glaube, sie hat gewußt, daß ich ein Reisender bin. Gefallen hat ihr das vielleicht nicht, aber sie hat es verstanden. Sie hat alle ihre Söhne verstanden – deshalb hat sie ja auch dafür gesorgt, daß Joharran nach ihr Anführer wurde. Sie weiß, daß Jondalar ein Zelandonii ist. Gingest du allein auf Reisen, wüßte sie, daß du zurückkehrst – aber du bist nun mal mit mir fortgezogen, und ich sollte nicht zurückkehren. Zu Anfang habe ich das nicht gewußt, sie aber wohl, glaube ich. Sie muß wollen, daß du zurückkommst; du bist schließlich der Sohn von Dalanars Herdfeuer.«
»Was macht das schon für einen Unterschied? Die beiden haben den Knoten schon lange durchtrennt. Wenn sie sich heute beim Sommertreffen wiedersehen, sind sie gute Freunde.«
»Möglich, daß sie heute nur Freunde sind, aber die Leute reden immer noch von Marthona und Dalanar. Ihre Liebe muß etwas ganz Besonderes gewesen sein, daß man heute noch davon spricht; und du bist das einzige, was sie hat, sie daran zu erinnern, der Sohn, der seinem Herdfeuer geboren wurde. Ein Kind von seinem Geist. Jeder weiß das; dafür siehst du ihm viel zu ähnlich. Du mußt einfach zurück. Du gehörst dorthin. Sie hat das gewußt, und du weißt es auch. Versprich mir, daß du eines Tages zurückkehrst, Bruder.«
Das Versprechen stürzte Jondalar einigermaßen in Verlegenheit. Ob er nun weiterhin seinen Bruder begleitete oder beschloß, ohne ihn heimzukehren – in jedem Fall gab er mehr auf, als er zu verlieren bereit war. Solange er sich weder so noch so festlegte, fand er, konnte er noch beides haben. Doch versprechen zurückzukehren bedeutete, daß sein Bruder nicht bei ihm sein würde.
»Versprich’s mir, Jondalar.«
Welchen vernünftigen Einwand konnte er erheben? »Ich verspreche es«, willigte er ein. »Ich werde heimkehren – eines Tages.«
»Schließlich muß einer ihnen sagen, daß wir es bis zum Ende des Großen Mutter Flusses geschafft haben, Großer Bruder«, sagte Thonolan lächelnd. »Und da ich nicht dort sein werde, mußt du es tun.«
»Warum solltest du nicht dort sein?«
»Ich glaube, die Mutter hätte mich schon am Fluß zu sich genommen – wenn du Sie nicht um mich angefleht hättest. Ich weiß, ich kann dir das nicht begreiflich machen, aber ich weiß, Sie wird bald kommen und mich holen. Und ich möchte zu Ihr.«
»Du suchst den Tod, nicht wahr?«
»Nein, Großer Bruder.« Thonolan lächelte. »Das brauche ich gar nicht. Ich weiß einfach, daß die Mutter mich holen wird. Und du sollst wissen, daß ich bereit bin.«
Jondalar spürte, wie sich sein Inneres zusammenzog. Seit dem Zwischenfall mit dem Schwemmsand hatte Thonolan fatalistisch die Überzeugung bekundet, daß er bald sterben werde. Er lächelte, doch war das nicht sein altes Grinsen. Jondalar wäre es lieber gewesen, er wäre in die Luft gegangen, statt alles ruhig hinzunehmen. Er hatte alles Kämpferische abgelegt, besaß keinen Lebenswillen mehr.
»Meinst du nicht, wir sind Brecie und dem Weidenlager etwas schuldig? Sie haben uns Nahrung gegeben, Kleidung, Waffen, alles. Bist du willens, all das anzunehmen und ihnen nichts dafür zu bieten?« Jondalar wollte seinen Bruder wütend machen und erleben, daß doch noch etwas in ihm war. Er hatte das Gefühl, trickreich zu diesem Versprechen verleitet worden zu sein, das seinen Bruder seiner letzten Verpflichtung enthob.
»Du bist dir so sicher, daß die Mutter irgendein Schicksal für dich bereithält, daß du nur noch an dich selbst denkst und an sonst niemand. Nur Thonolan, stimmt’s? Niemand sonst spielt eine Rolle.«
Thonolan lächelte. Er verstand Jondalars Zorn; wie sollte er ihm den verargen? Was wäre wohl in ihm selbst vorgegangen, wenn Jetamio gewußt hätte, daß sie sterben mußte – und es ihm gesagt hätte?
»Jondalar, ich möchte dir etwas sagen. Wir sind uns nahe …«
»Sind wir das wirklich noch?«
»Selbstverständlich. Denn bei mir kannst du ruhig sein. Bei mir brauchst du nicht dauernd vollkommen zu sein. Immer rücksichtsvoll …«
»Richtig – ich bin so gut, daß Serenio nicht mal meine Frau werden wollte«, sagte er sarkastisch.
»Sie hat gewußt, daß du fortgehen würdest, und hat nicht mehr darunter leiden wollen als unbedingt nötig. Hättest du sie früher gebeten, sie hätte dich akzeptiert. Du hättest sogar nur noch ein bißchen mehr in sie dringen sollen, als du es tatest, dann hätte sie … obwohl sie wußte, daß du sie nicht liebst. Du hast sie nicht gewollt, Jondalar.«
»Woher
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