Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
Leib trugen. Als das Boot unterging, war alles verlorengegangen, sogar ihre Kiepen, die sie zu Beginn ihrer Reise getragen hatten. Thonolan hatte die Tracht der Shamudoi angenommen, und Jondalar trug die der Ramudoi, doch seit er ins Wasser gefallen war – damals, als er den Flachschädeln begegnet war – trug er immer einen Beutel mit Werkzeugen am Gürtel, und darüber war er jetzt heilfroh.
»Ich werde sehen, ob ich ein paar Stengel von dem Kolbenrohr finde, die trocken genug sind, um Feuer damit zu bohren«, sagte Jondalar und bemühte sich, die Schmerzen einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen. »Sieh du zu, ob du etwas trockenes Holz findest.«
Das Kolbenrohr lieferte mehr als einen alten Stengel für den Feuerbohrer. Die um einen Rahmen aus Erlenholz geflochtenen und gewebten langen Blätter ergaben einen Windschutz, der half, die Wärme des Feuers ein wenig festzuhalten. Die grünen Spitzen und jungen Wurzeln, die zusammen mit den Rhizomen des gemeinen Kalmus und der unter Wasser wachsenden Teile der Binsen in der Glut garten, ergaben so etwas wie eine Mahlzeit. Ein schlanker, angespitzter Erlentrieb, den sie mit der Genauigkeit des Hungers schleuderten, bescherte ihnen auch noch ein paar Flugenten. Aus den langen und schmiegsamen Binsen flochten die Männer sich weiche Matten, die sie verwendeten, um den Windschutz zu vergrößern und sich darin einzuwickeln, solange ihre nassen Kleider trockneten. Später schliefen sie auf diesen Matten.
Jondalar schlief nicht gut. Ihm tat der Brustkorb mit der Wunde weh, und er war überzeugt, daß er sich innerlich etwas getan hatte. Dennoch wollte er nicht daran denken, jetzt eine Pause einzulegen. Erst mußten sie wieder wirklich festen Boden unter den Füßen haben.
Am Morgen holten sie mit weitmaschigen Körben aus Röhricht, Erlenzweigen und Schnur, die sie aus faseriger Baumrinde zusammendrehten, ein paar Fische aus dem Fluß. Sie rollten das Material zum Feuermachen und die weichen Körbe in ihre Schlafmatten, verschnürten sie und schlangen sie sich auf den Rücken. Ihre Speere packend, machten sie sich auf den Weg. Bei den Speeren handelte es sich um nichts weiter als um zugespitzte lange Stecken, doch hatten diese ihnen bereits zu einer Mahlzeit verholfen – die zweite hatten ihnen die Fischreusen gebracht. Das Überleben hing ebensosehr von der Ausrüstung wie vom Wissen ab.
Die beiden Brüder hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit in bezug auf die Richtung, die sie jetzt einschlagen sollten. Thonolan meinte, sie wären schon über das Delta hinaus, und wollte weiter nach Osten, aufs Meer, zustoßen. Jondalar hingegen wollte nach Norden; er war überzeugt, daß noch ein weiterer Wasserarm zwischen ihnen und dem Festland lag. Jondalar sollte recht behalten, obwohl es ihm wesentlich lieber gewesen wäre, er hätte sich geirrt. Um die Mittagszeit erreichten sie den nördlichsten Wasserarm des großen Flusses.
»Da müssen wir wohl wieder schwimmen«, sagte Thonolan. »Bist du dazu imstande?«
»Bleibt mir denn eine Wahl?«
Schon wollten sie zum Wasser hinunter, da blieb Thonolan stehen.
»Warum zurren wir unsere Kleidung nicht an einem Baumstamm fest, wie wir das früher auch getan haben? Dann brauchen wir hinterher wenigstens nicht erst das Zeug zu trocknen.«
»Ich weiß nicht recht«, sagte Jondalar. Kleidung, selbst wenn sie durchnäßt war, würde sie wärmen; doch Thonolan hatte sich bemüht, vernünftig zu sein, wenn seine Stimme auch Frustration und Ärger verriet. »Aber wenn du meinst …«Achselzuckend fügte Jondalar sich.
Sie fröstelten, als sie nackt in der feuchtkalten Luft standen. Jondalar war versucht, sich seinen Werkzeugbeutel wieder um die nackte Hüfte zu binden, doch hatte Thonolan ihn bereits in seinen Überwurf eingewickelt und zurrte jetzt alles an einem Baumstamm fest, den er gefunden hatte. Das Wasser fühlte sich auf der nackten Haut kälter an, als er sich ins Wasser stürzte und zu schwimmen versuchte. Erstaunlicherweise linderte das kalte Wasser den Wundschmerz ein wenig. Er versuchte, möglichst auf der anderen Seite zu schwimmen und hinkte daher hinter seinem Bruder her, obwohl Thonolan noch den Baumstamm hinter sich herzog.
Als sie aus dem Wasser krochen und auf einer Sandbank standen, war ihr ursprüngliches Ziel – das Ende des Großen Mutter Flusses – in Sicht. In der Ferne konnten sie das Wasser des Binnenmeeres erkennen, doch war die Erregung des Augenblicks verloren. Die Reise hatte ihren Sinn verloren, und das Ende
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