Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
Donner gerührt. Er folgte ihr und sah ihr vom Sims aus nach. Mit geübtem Sprung saß sie auf und sprengte das Tal hinunter. Immer war Ayla entgegenkommend gewesen. Nie hatte sie Zorn gezeigt. Der Gegensatz machte den Ausbruch nur um so überwältigender.
Was die Flachschädel betraf, so hatte er sich immer für gerecht und offen gehalten. Er war der Meinung gewesen, man sollte sie in Ruhe lassen, sie weder belästigen noch reizen, und absichtlich hätte er auch nie einen von ihnen getötet. Nur hatte die Vorstellung, daß ein Mann rein zum Vergnügen eine Flachschädel-Frau benutzen könnte, sein ganzes Empfinden stark verletzt. Daß nun einer von ihren Männern eine Menschenfrau genauso benutzte, hatte einen tiefsitzenden Nerv bei ihm getroffen. Eine derart mißbrauchte Frau mußte besudelt sein!
Dabei hatte er sich so sehr von ihr angezogen gefühlt. Er dachte an die dreckigen Witze, die kichernde Halbwüchsige und junge Männer sich erzählten, und hatte unwillkürlich das Gefühl, als ob sich zwischen seinen Beinen etwas zusammenzöge, als ob er sich bereits angesteckt hätte, sein Glied schrumpfte und kurz davor stehe abzufallen. Kraft irgendeiner Vorsehung der Großen Erdmutter war er noch einmal davongekommen.
Doch schlimmer noch: Sie hatte ein Monstrum zur Welt gebracht, einen Wechselbalg böser Geister, über den man in anständiger Gesellschaft nicht einmal reden konnte. Daß es so etwas Ungeheuerliches überhaupt geben sollte, wurde von vielen heftig abgestritten; dennoch war immer wieder darüber geredet worden.
Ayla hatte es nicht geleugnet. Sie gab es offen zu, stellte sich hin und verteidigte ihr Kind … nicht minder wütend als jede andere Mutter, deren Kind man verunglimpfte. Sie war gekränkt, war wütend, daß er auf so abwertende Weise über sie gesprochen hatte. Ob sie wirklich von einem Rudel Flachschädel großgezogen worden war?
Einigen Flachschädeln war er auf seiner Reise ja begegnet, und er hatte bei sich längst bezweifelt, ob sie wirklich Tiere wären. Er erinnerte sich an den Zwischenfall mit dem jungen Mann und der älteren Frau. Jetzt, wo er darüber nachdachte – hatte der Junge nicht ein aus einem großen Feuerstein geschlagenes Messer benutzt, um den Fisch in zwei Teile zu teilen – genauso
eines, wie Ayla es benutzt hatte? Und die Mutter hatte ihren Überwurf genauso um den Leib gewickelt gehabt, wie Ayla es tat. Ayla hatte sogar dieselben unnatürlichen Eigenheiten gehabt, besonders zu Anfang: diese Neigung, den Blick zu Boden gesenkt zu halten und möglichst nicht aufzufallen. Die Felle auf ihrem Lager waren von der gleichen Weichheit wie das Wolfsfell, das sie ihm gegeben hatte. Und ihr Speer! Dieser schwere, primitive Speer – war das nicht genauso ein Speer, wie das Rudel Flachschädel sie getragen hatten, denen Thonolan und er begegnet waren, kurz nachdem sie den Gletscher verlassen hatten?
Er hatte es die ganze Zeit über vor Augen gehabt, er hätte bloß hinsehen müssen. Wozu hatte er sich die Geschichte ausgedacht, sie sei eine von Denen, Die Der Mutter Dienen und sich Prüfungen unterziehen, um ihr Können zu vervollkommnen? Sie verstand ihre Kunst wie nur je ein Heilkundiger, wahrscheinlich noch besser. Hatte Ayla all ihre Kunst wirklich von einem Flachschädel?
Er sah ihr nach, wie sie in der Ferne verschwand. Prachtvoll war sie in ihrem Zorn gewesen. Er kannte viele Frauen, die schon bei der kleinsten Herausforderung die Stimme erhoben. Marona konnte ein keifendes, streitsüchtiges und übellauniges Weib sein, dachte er, als er an die Frau dachte, der er einstmals versprochen gewesen war. Gleichwohl hatte jemand, der so fordernd war, eine Stärke, die ihn ansprach. Ihm gefielen starke Frauen. Sie stellten eine Herausforderung für ihn dar, besaßen einen eigenen Willen und ließen sich bei den seltenen Gelegenheiten, da sie durchbrach, nicht so leicht von seiner eigenen Leidenschaft überwältigen. Trotz ihrer Gelassenheit hatte er immer einen felsharten Kern in Ayla vermutet. Sieh sie dir an, wie sie auf dem Pferd sitzt, dachte er. Sie ist wirklich eine bemerkenswerte, eine wunderschöne Frau!
Plötzlich ging ihm auf, was er getan hatte; es war, als ob er mit eisigem Wasser übergossen worden wäre. Alles Blut wich ihm aus dem Gesicht. Sie hatte ihm das Leben gerettet, und er war vor ihr zurückgezuckt wie vor etwas Schmutzigem und Widerlichem! Sie hatte ihn mit Fürsorge überhäuft, und er hatte ihr das mit Abscheu vergolten! Er hatte ihr Kind ein
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