Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
stammte von den Anderen
ab, solchen, die so wären wie ich. Wie du Jondalar. An das, was
war, ehe ich beim Clan war, erinnere ich mich nicht mehr – ich
konnte mich nicht einmal an das Gesicht meiner Mutter
erinnern. Du bist der einzige Mann, den ich je gesehen habe
und der so aussieht wie ich.«
Jondalar lauschte, und während er zuhörte, wurde ihm immer
unbehaglicher zumute.
»Auf einem Clanstreffen habe ich von einer anderen Frau von
einem Mann der Anderen erfahren. Deshalb hatte ich Angst vor
ihnen, bis ich dich traf. Sie hatte ein Baby, ein Mädchen, das
Durc so ähnlich war, daß es von mir hätte sein können. Oda
wollte, daß ihre Tochter und mein Sohn einmal
zusammengegeben würden. Sie behaupteten, auch ihr Baby sei mißgestaltet; ich aber glaube, der Mann von der Anderen war verantwortlich dafür, daß das Kind in ihr wuchs, nachdem er sie
gezwungen hatte, sein Bedürfnis an ihr zu stillen.«
»Der Mann zwang sie.«
»Und brachte dabei auch noch ihre erste Tochter um. Oda
war mit zwei anderen Frauen zusammen, da kamen viele von
den Anderen, aber sie gaben ihnen nicht das Zeichen. Als einer
von ihnen sie packte, fiel Oda erstes Baby hin und schlug mit
dem Kopf an einem Felsen auf.«
Siedend heiß fiel Jondalar die Bande von jungen Männern aus
einer Höhle weit im Westen ein. Er wollte die Folgerungen von
sich weisen, die er bereits zog. Doch wenn eine Bande von
jungen Männern dazu imstande war, warum dann nicht auch
eine andere? »Ayla, du sagst immer wieder, du bist nicht wie der
Clan. Wieso sind sie denn anders?«
»Sie sind nicht so groß – deshalb war ich ja so überrascht, als
du aufstandest. Ich bin immer größer gewesen als alle anderen,
die Männer eingeschlossen. Deshalb wollte mich ja keiner
haben. Ich bin zu groß und zu häßlich.«
»Und weiter?« Er wollte nicht fragen, konnte sich jedoch auch
nicht zurückhalten. Er mußte es wissen.
»Sie haben braune Augen. Iza meinte, mit meinen Augen
müsse was nicht stimmen, da sie von der Farbe des Himmels
waren. Durc hat ihre Augen und die … ich weiß nicht, wie ich
es ausdrücken soll: die großen Brauen. Aber seine Stirn ist wie
meine. Ihre Köpfe sind flacher …«
»Flachschädel!« Angewidert bleckte er die Zähne. »Gute
Mutter, Ayla! Du hast unter diesen Tieren gelebt! Du hast
zugelassen, daß einer von ihren Männchen …« Ein Schauder
überlief ihn. »Du hast ein Monstrum zur Welt gebracht, einen Wechselbalg gemischter Geister, halb Mensch und halb Tier!« Als ob er etwas Widerwärtiges berührt hätte, fuhr Jondalar zurück und sprang auf. Seine Reaktion beruhte auf irrationalen Vorurteilen, auf eingefleischten Grundüberzeugungen, die von den meisten Menschen, die er kannte, nie infrage gestellt
wurden.
Ayla begriff zuerst gar nichts und sah ihn verwirrt und
stirnrunzelnd an. Aber sein Ausdruck verriet Abscheu, ähnlich
dem, den sie empfand, wenn sie an Hyänen dachte. Und dann
nahmen seine Worte Bedeutung an.
Tiere! Er nannte die Menschen, die sie liebte, Tiere! Stinkende
Hyänen!
Den Verständnis- und liebevollen Creb, der gleichwohl der
ehrfurchtgebietendste und mächtigste heilige Mann des ganzen
Clans war – Creb ein Tier? Iza, die sie aufgezogen hatte und wie
eine Mutter zu ihr gewesen war, die ihr das Wissen um die
Heilkunst vermittelt hatte – Iza eine stinkende Hyäne: Und
Durc! Ihr Sohn!
»Was willst du damit sagen – Tiere?« rief Ayla, die inzwischen
aufgesprungen war und ihn anstarrte. Nie zuvor hatte sie im
Zorn ihre Stimme erhoben, und jetzt überraschte es sie selbst,
wie laut sie sein konnte – und wie giftsprühend. »Creb und Iza
Tiere? Mein Sohn, ein Monstrum? Die Leute vom Clan sind
doch keine stinkenden Hyänen!
Würden Tiere ein verletztes kleines Mädchen bei sich
aufnehmen? Würden sie es als ihresgleichen akzeptieren? Für es
sorgen und es großziehen? Wo, meinst du, habe ich gelernt,
Nahrung zu finden? Oder sie zuzubereiten? Und wo, meinst du,
habe ich die Heilkunst erlernt? Wären diese Tiere nicht gewesen,
ich würde heute nicht mehr am Leben sein – und du auch nicht,
Jondalar!
Du behauptest, der Clan, das wären Tiere, und nur die
Anderen Menschen? Nun, vergiß nicht: Der Clan hat ein Kind
von den Anderen gerettet, und die Anderen haben eines von
ihren Kindern getötet. Wenn ich zwischen Menschen und
Tieren wählen sollte, würde ich mich für die stinkenden Hyänen
entscheiden.«
Damit stürmte sie zur Höhle hinaus und den Pfad hinunter.
Dann pfiff sie nach Winnie.
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Jondalar war wie vom
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