Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
zusammenzubinden.
Winter! Ayla durchlief ein Frösteln. Sie wollte nicht an den kalten und trostlos-grauen Winter denken. Nur konnte sie den Winter eigentlich nie ganz vergessen. Der Sommer war nur die Zeit, sich auf den Winter vorzubereiten.
Jondalar würde sie verlassen! Das wußte sie. Es war töricht, sich einzubilden, daß er bei ihr im Tal bleiben könnte. Warum sollte er? Ob er wohl bliebe, wenn sie nicht allein wäre? Wenn er fort war, würde es noch schlimmer werden … selbst nachdem er sie so angesehen hatte!
»Warum hat er kommen müssen?«
Der Klang ihrer eigenen Stimme erschreckte sie. Sie war es nicht gewohnt, sie zu hören, wenn sie allein war. »Aber ich kann sprechen. Das zumindest hat Jondalar erreicht. Jedenfalls kann ich jetzt mit diesen Menschen reden, falls ich welchen begegne. Und ich weiß, daß weiter im Westen welche leben. Iza hat recht, es muß viele Menschen geben, viele von den Anderen.«
Sie legte der Stute die Moorhühner über die Kruppe, so daß auf jeder Seite eins herunterbaumelte, und hielt den Korb mit den Eiern zwischen den Beinen. Geboren worden bin ich den Anderen … Such dir einen Gefährten, hat Iza mir gesagt. Ich dachte, Jondalar wäre mir von meinem Totem geschickt worden, aber würde mein Totem mir jemand schicken, der mich mit einem solchen Blick ansieht?
»Wie hat er mich nur so ansehen können?« rief sie, von Schluchzen geschüttelt. »Ach, Höhlenlöwe, ich will nicht mehr allein sein!« Ayla sackte in sich zusammen und überließ sich wieder ihren Tränen. Winnie merkte, daß ihr keine Richtungen angegeben wurden, doch das spielte keine Rolle. Sie kannte den Weg. Nach einer Weile setzte Ayla sich wieder auf. Niemand wird mich dazu bringen, hier zu bleiben. Ich hätte mich schon vorher umsehen müssen. Ich kann jetzt sprechen …
»… und kann ihnen sagen, daß Winnie kein Pferd ist, auf das man Jagd macht«, fuhr sie laut fort, nachdem sie sich dieses Umstands bewußt geworden war. »Ich werde alles vorbereiten, und nächsten Frühling ziehe ich dann los.« Sie wußte, daß sie es wieder hinausschieben würde.
Jondalar wird nicht gleich fortgehen. Er braucht Kleidung und Waffen. Vielleicht hat mein Höhlenlöwe ihn geschickt, damit er mir einiges beibringt. Dann muß ich alles von ihm lernen, was möglich ist, ehe er fortgeht. Ich werde ihn beobachten und ihm Fragen stellen, egal, wie er mich ansieht. Broud hat mich all die Jahre gehaßt, da ich beim Clan gelebt habe. Da kann ich es auch aushalten, wenn Jondalar … wenn er mich … haßt. Sie drückte die Augen zu, um die Tränen zurückzudrängen.
Sie griff nach ihrem Amulett und erinnerte sich, was Creb vor langer Zeit gesagt hatte: Wenn du ein Zeichen findest, das dein Totem für dich zurückgelassen hat, stecke es in deinen Amulettbeutel. Es wird dir Glück bringen. Ayla hatte alle diese Dinge in ihren Beutel gesteckt. Höhlenlöwe, ich habe jetzt so lange allein gelebt – jetzt muß mein Amulett mir Glück bringen. Als sie zum Strom hinunterritt, war die Sonne bereits hinter den Klippen verschwunden, zwischen denen weiter stromaufwärts der Fluß hindurchfloß. Das Dunkel kam dann immer sehr schnell. Jondalar sah sie kommen und lief zum Fluß hinunter. Ayla hatte Winnie zu einem Galopp angetrieben, und als sie jetzt um die Felswand herumritt, wäre sie ums Haar mit ihm zusammengestoßen. Das Pferd scheute und hätte sie beinahe abgeworfen. Jondalar griff hinauf, um sie festzuhalten, doch als er nacktes Fleisch spürte, riß er – überzeugt, daß sie ihn verachtete – die Hand wieder fort. Er haßt mich, dachte Ayla. Er kann es nicht einmal ertragen, mich anzufassen. Sie schluckte einen Schluchzer hinunter und gab Winnie das Zeichen vorwärtszugehen. Das Pferd überquerte den steinübersäten Uferstreifen und stieg dann – Ayla auf dem Rücken – den steilen Pfad zur Höhle hinauf. Am Höhleneingang saß sie ab und schoß hinein; hätte sie doch nur sonst einen Ort, sich zu verstecken! Sie stellte den Eierkorb neben das Herdfeuer, raffte einen Armvoll Felle zusammen und trug sie dorthin, wo sie ihre Vorräte lagern hatte. Dort warf sie sie hinter der Darre und zwischen unbenutzten Körben, Matten und Schalen auf den Boden, schlüpfte hinein und zog sich ein Fell über den Kopf.
Gleich darauf vernahm Ayla Winnies Hufe, dann die des Füllens. Sie wurde von Schluchzern geschüttelt, kämpfte gegen die Tränen an und war sich die ganze Zeit über deutlich des Mannes bewußt, der sich da in ihrer Höhle
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