Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
des weißen Leders liegt in dem Wasser, das du ausscheidest. Das mag dir sonderbar vorkommen, aber es ist so. Nachdem du es eine Zeitlang an einem warmen Ort stehen gelassen hast, verändert es sich. Und wenn du dann Felle darin einweichst, lösen sich sämtliche Fetteile, die noch drangeblieben sind, und auch alle Fettflecken verschwinden. Die Haare lösen sich leichter, aber das Leder verwest nicht so leicht und bleibt selbst dann weich, wenn man es nicht in den Rauch hängt. Und deshalb wird es auch nicht hell- oder dunkelbraun. Ja, das Leder nimmt eine helle Färbung an, die immer noch kein richtiges Weiß ist, aber dem nahekommt. Hinterher, wenn man es mehrere Male ausgewaschen und -gewrungen hat, ist es bereit für die weiße Farbe.«
Würde jemand sie danach gefragt haben, hätte Crozie dem Betreffenden nicht erklären können, daß Harnstoff, der Hauptbestandteil des Urins, sich, warm gestellt, zersetzt und ammoniakalisch wird. Sie wußte nur, daß Urin, wenn man ihn stehen ließ, sich verändert. Etwas, das sowohl Fett löste als auch bleichte und gleichzeitig half, das Leder vor Bakterienzersetzung zu bewahren. Sie brauchte nicht zu wissen, warum das so war oder daß man es Ammoniak nennt; sie brauchte nur zu wissen, daß es auf diese Weise wirkte.
»Kreide … haben wir Kreide?« fragte Crozie.
»Wymez hat welche. Er sagt, die Feuersteine, die er gerade hergebracht hat, stammen aus einem Kreidefelsen, und mehrere Knollen weisen noch einen Kreidemantel auf«, sagte Ayla.
»Warum hast du Wymez nach Kreide gefragt? Woher wußtest du, daß ich es dir zeigen würde?« fragte Crozie mißtrauisch.
»Das habe ich nicht getan. Ich wollte schon seit langer Zeit einen weißen Kittel machen. Wenn du es mir nicht zeigen wolltest, hätte ich es selbst versucht; aber das mit dem Wasseraufheben habe ich nicht gewußt, und von allein wäre ich auch nicht darauf gekommen. Ich bin glücklich, daß du es mir zeigen willst«, sagte Ayla.
»Hmmmph«, lautete Crozies einziger Kommentar. Was Ayla gesagt hatte, überzeugte sie; nur zugeben mochte sie es nicht. »Denk nur dran, diesen weichen weißen Talg herzustellen.« Dann fügte sie noch hinzu:
»Und mach auch für das Leder etwas. Ich glaube, es könnte nicht schaden, Talg mit der Kreide zu vermischen.«
Ayla hielt den Fellvorhang auf und blickte hinaus. Der spätnachmittägliche Wind ächzte und stöhnte ein trauriges Lied, gerade die rechte Melodie für die öde Landschaft und den bedeckten grauen Himmel. Sie sehnte sich, von der bitteren Kälte erlöst zu werden, die ihnen keinerlei Beweglichkeit gestattete, doch schien die bedrückende Jahreszeit kein Ende nehmen zu wollen. Winnie schnaubte, und als sie sich umdrehte, sah Ayla Mamut das Herdfeuer der Pferde betreten. Sie lächelte ihm zu.
Ayla hatte dem alten Schamanen von Anfang an Achtung entgegengebracht, doch seit er angefangen hatte, sie zu unterweisen, war aus ihrem Respekt eine tiefe Zuneigung geworden. Zum Teil lag das auch daran, daß sie eine starke Ähnlichkeit zwischen dem großen, ausgemergelten, uralten Schamanen und dem gedrungenen, verkrüppelten einäugigen Zauberer vom Clan sah, wenn auch nicht in der äußeren Erscheinung, so doch im Wesen. Es war fast, als hätte sie Creb noch einmal gefunden, zumindest sein Gegenstück. Beide bekundeten sie eine Ehrfurcht und tiefes Verständnis für die Welt der Geister, obwohl sie die Geister, die sie verehrten, mit verschiedenen Namen belegten; beide verfügten über ehrfurchtgebietende Kräfte, obwohl einer wie der andere körperlich hinfällig war; und beide waren sie weise, was das Leben und Streben der Menschen betraf. Doch der nachhaltigste Grund für ihre Liebe war, daß Mamut sie – auch darin Creb gleich – mit offenen Armen aufgenommen und ihr geholfen hatte zu verstehen – und sie zur Tochter seines Herdfeuers gemacht hatte.
»Ich habe dich gesucht, Ayla. Ich dachte mir schon, daß du hier bei deinen Pferden wärest«, sagte Mamut.
»Ich sah gerade hinaus. Hoffentlich wird es bald Frühling.«
»Um diese Zeit sehnen sich die meisten Menschen danach, daß etwas anderes kommt; sie möchten endlich wieder einmal etwas anderes tun oder sehen. Sie fangen an, sich zu langweilen, und schlafen mehr. Ich glaube, das ist auch der Grund, warum wir gegen Ende des Winters mehr Feste feiern oder Gelage abhalten als sonst. Bald kommt der Lach-Wettstreit. Und der gefällt den meisten besonders gut.«
»Was ist denn der Lach-Wettstreit?«
»Er ist genau das, was der
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