Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
Crozie?«
»Warum nicht? Ich mache hier ein Zeichen dafür«, sagte sie und glättete den Boden mit der flachen Unterseite des Korbes. Die Frau nahm zwei Gegenstände vom Boden auf und hielt sie, jeweils einen in einer Hand, Ayla hin. »Drei Striche für ein Spiel. Wenn du richtig rätst, bekommst du einen. Rätst du falsch, bekomme ich einen. Der erste, der drei Striche zusammenhat, hat das Spiel gewonnen.«
Ayla schaute die beiden Mittelhandknöchel eines Moschusochsen an; der eine war unbemalt, der andere wies rote und schwarze Linien auf. »Ich wähle den schlichten, geht das?« fragte sie.
»Ja, das geht«, sagte Crozie, und in ihren Augen blitzte es durchtrieben auf. »Bist du soweit?« Sie rieb die beiden Handflächen mit den Knöcheln dazwischen aneinander, sah jedoch hinüber zu dem Arbeitsbereich der Steinschläger, wo Jondalar mit Danug saß. »Ist er wirklich so gut, wie sie sagen?« fragte sie und wies mit einem Kopfrucken zu ihm hinüber.
Ayla sah zu dem Mann hinüber, der den blonden Kopf mit dem des rothaarigen Jungen zusammensteckte. Als sie wieder Crozie ansah, hatte die alte Frau die Hände hinter dem Rücken versteckt.
»Ja, Jondalar ist tüchtig«, sagte sie.
Hatte Crozie absichtlich versucht, sie auf etwas anderes hinzuweisen, um sie abzulenken? fragte Ayla sich. Sie musterte die ihr gegenüber sitzende Frau eingehend, bemerkte die schiefe Haltung der Schultern und die Art, wie sie den Kopf hielt, ihren Gesichtsausdruck.
Crozie nahm die Hände wieder nach vorn und hielt sie Ayla hin: in jeder geballten Faust eines der Knöchelchen. Ayla besah sich eindringlich das verhutzelte Gesicht, das völlig ausdruckslos und nichtssagend geworden war; dann senkte sie den Blick auf die gichtigen alten Hände mit den knotigen Gelenken. Hatte sie eine der beiden Hände nicht doch um ein ganz klein wenig näher an die Brust gezogen? Ayla entschied sich für die andere.
»Verloren!« freute Crozie sich hämisch, machte die Faust auf und hielt Ayla den Knöchel mit den roten und schwarzen Strichen daraufhin. Sie zog einen kurzen Strich auf dem Zeichenrund. »Bist du bereit zu noch einem Spiel?«
»Ja«, sagte Ayla.
Diesmal summte Crozie beim Reiben der Knöchel zwischen den Handflächen vor sich hin. Sie schloß die Augen, sah dann zur Decke hinauf, starrte angestrengt, als hätte sie in der Nähe des Rauchloches etwas Interessantes entdeckt. Ayla war versucht hinzusehen, was es dort so Faszinierendes gäbe, und wollte Crozies Blick bereits folgen. Doch dann fiel ihr ein, daß sie schon vorher ähnliche Tricks angewandt hatte, um sie abzulenken, und so schaute sie rasch wieder hinunter – gerade rechtzeitig, um mitzubekommen, wie die schlaue alte Frau rasch zwischen die Hände schaute, ehe sie sie hinter dem Rücken verschwinden ließ. Ein wissendes Lächeln spielte flüchtig um ihren Mund. Ein Anspannen von Schulter- und Armmuskeln vermittelte den Eindruck, als bewegte sich etwas zwischen den verborgenen Händen. Meinte Crozie, Ayla habe eines der Knöchelchen erblickt, und tauschte sie jetzt die Stücke aus? Oder wollte Crozie bloß erreichen, daß sie dies dachte?
An dem Spiel war mehr dran als reines Raten, dachte Ayla, und es war viel interessanter, es selbst zu spielen, als nur dabei zuzusehen. Wieder zeigte Crozie ihre knochigen Fäuste. Ayla sah sie sich genau an, ohne das deutlich zu erkennen zu geben. Erstens war es nicht höflich, länger hinzustarren, und auf einer etwas subtileren Ebene wollte sie Crozie nicht wissen lassen, wonach sie eigentlich Ausschau hielt. Es war nicht leicht, sich richtig zu verhalten, denn die alte Frau war eine durchtriebene Spielerin, gleichwohl kam es Ayla vor, als säße die eine Schulter etwas höher als die andere; und hatte sie nicht auch die andere Hand diesmal leicht zurückgezogen? Ayla tippte auf die Faust, von der sie annahm, daß Crozie wollte, daß sie sie wählte – die falsche nämlich.
»Ha! Wieder verloren!« sagte Crozie erfreut, um dann jedoch sogleich hinzuzusetzen: »Spielen wir weiter?«
Noch ehe Ayla zustimmend nicken konnte, hatte Crozie die Hände im Rücken und auch wieder vorgestreckt. Diesmal lehnte sie sich dabei vor.
Ayla widerstand und lächelte. Die alte Frau veränderte ständig irgend etwas und war bemüht, keinerlei schlüssige Signale von sich zu geben. Ayla wählte die Hand, von der sie meinte, daß sie die richtige sei; der Lohn dafür war ein kleiner Strich für sie auf dem Zeichenrund. Beim nächsten Mal veränderte Crozie ihre
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