Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
schien schwer von der vielen Verantwortung, so als hätte sie das Schicksal des gesamten Clans um den Hals hängen.
Ein rhythmisches Klingen riß Ayla aus ihren Überlegungen. Mit dem Ast eines Hirschgeweihs, der wie ein Hammer geformt war, schlug Mamut auf einen mit geometrischen Linien und Symbolen verzierten Mammutschädel. Ayla meinte, etwas wahrzunehmen, das nicht nur Rhythmus war, und so spitzte sie die Ohren und sah genau hin. Der Hohlkörper verstärkte den Klang durch volltönendes Nachzittern, doch war es mehr als die schlichte Resonanz des Instruments. Als der alte Schamane den Schlegel auf einen anderen Bereich der Knochentrommel fallen ließ, veränderten sich Ton und Tonhöhe auf so verzwickte und kaum merkliche Weise, daß man den Eindruck hatte, als entlocke Mamut der Trommel eine Rede, als bringe er den alten Mammutschädel zum Sprechen.
Leise und mit sehr tiefer Stimme intonierte der alte Mann einen in Molltönen gehaltenen Singsang. Während Trommel und Stimme sich zu einem komplizierten Klangmuster verwoben, fielen hier und dort im Raum andere Stimmen ein, paßten sich dem vorgegebenen Klangbild ein, variierten es indes auf selbständige Weise. Der Trommelrhythmus wurde von einem ähnlichen Klang auf der anderen Seite des Raums aufgenommen. Ayla blickte sich suchend um und sah Deegie eine zweite Schädeltrommel bearbeiten. Dann klopfte Tornec mit einem Hirschgeweihschlegel gegen einen anderen Mammutknochen, einen mit gleich weit auseinanderliegenden geraden und roten Zickzacklinien verzierten Schulterknochen. Das tiefe Widerhallen der Schädeltrommeln und die höheren Töne aus dem Schulterblatt erfüllten die Erdhütte mit einem Wohlklang, der einen nicht so leicht wieder losließ. Aylas Körper schaukelte in diesem Rhythmus hin und her, und sie bemerkte, daß auch andere sich darin wiegten. Unvermittelt hörte es auf.
Die Stille hatte etwas Erwartungsvolles; gleichwohl hielt sie noch eine ganze Weile an. Es galt ja nicht, eine formale Zeremonie abzuhalten, sondern es handelte sich um nichts weiter als ein zwangloses Beisammensein, um in der Gesellschaft aller einen angenehmen Abend zu verbringen und das zu tun, was Menschen am besten können und am liebsten tun – sich zu unterhalten. Tulie machte den Anfang und verkündete, man sei zu einer Ehevereinbarung gelangt, und Deegie und Branag würden nächsten Sommer in aller Form zusammengegeben. Beifälliges Gemurmel und Glückwünsche wurden laut, dabei hatte keiner etwas anderes erwartet. Das junge Paar strahlte. Dann bat Talut Wymez, von seiner Handelsreise zu berichten, und sie erfuhren, daß es dabei um das Eintauschen von Salz, Bernstein und Feuerstein gegangen war. Einige stellten Fragen oder machten irgendwelche Bemerkungen dazu, und Jondalar lauschte interessiert. Ayla hingegen verstand überhaupt nichts und beschloß, ihn später zu fragen und um Erklärungen zu bitten. Im Anschluß daran erkundigte sich Talut zur Verlegenheit des jungen Mannes nach Danugs Fortschritten.
»Er besitzt Talent und kann sicher zupacken. Noch ein paar
Jahre Erfahrung, und er wird sehr gut sein. Es hat ihnen leid getan, ihn ziehen zu lassen. Er hat gut gelernt; das Jahr in der Fremde hat sich gelohnt«, berichtete Wymez. Wieder kam Beifallsgemurmel von der Gruppe. Danach erlahmte die Aufmerksamkeit, und man unterhielt sich privat mit seinen Nachbarn, ehe Talut sich Jondalar zuwandte, was eine nicht geringe Erregung zur Folge hatte, die sich darin äußerte, daß die Leute erwartungsvoll hin und her rutschten.
»Erzähle uns, Mann von den Zelandonii, wie es kommt, daß du hier in der Erdhütte des Löwen-Lagers der Mamutoi sitzt«, sagte er.
Jondalar nahm einen Schluck aus einem der kleinen Wasserbeutel mit dem vergorenen Getränk, sah sich im Kreis der erwartungsvoll ihm zugewandten Gesichter um und lächelte dann Ayla zu. Es ist nicht das erste Mal, daß er dies tut! dachte sie ein wenig überrascht, begriff aber, daß er dabei war, den richtigen Tonfall und das richtige Erzähltempo für das zu finden, was er zu berichten hatte. Sie lehnte sich daher zurück, um wie die anderen zuzuhören.
»Es ist eine lange Geschichte«, hob er an. Zustimmend wurde genickt. Genau so etwas wollten sie hören. »Meine Leute leben weit weg von hier, ganz ganz weit im Westen, noch hinter der Quelle des Großen Mutter Flusses, der sich in das Große Binnenmeer ergießt, das auch Beran-See genannt wird. Genauso wie ihr, leben auch wir an einem Fluß; unser Fluß jedoch
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