Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
blieb die Temperatur immer noch weit unter
dem Gefrierpunkt. Nicht überall lag Schnee, und die trockene
Luft klirrte und entzog seinen Lungen bei jedem Atemzug
Feuchtigkeit, die ihm als Dampf vor dem Mund stand. Er hatte
nicht vor, lange draußen zu bleiben, aber die Kälte mit ihrer
ständigen Forderung, das Überleben über alle anderen Dinge zu
stellen, übte eine beruhigende Wirkung auf ihn aus. Er wußte
nicht, warum er so heftig auf Ranec reagierte. Zum Teil lag das
zweifellos an der Befürchtung, Ayla an ihn zu verlieren, und
zum Teil daran, daß er sie sich in seiner Phantasie immer
zusammen vorstellte; gleichzeitig aber nagte das Schuldgefühl in
ihm, selbst nur widerstrebend bereit gewesen zu sein, sie
vollkommen und rückhaltlos anzuerkennen. Ein Teil von ihm
glaubte, Ranec verdiene sie mehr als er. Eines freilich schien
jetzt sicher. Ayla wollte, daß er und nicht Ranec lernte, auf
Renner zu reiten.
Danug sah Jondalar den Hang hinaufgehen, dann ließ er den
Fellvorhang fallen und kehrte langsam zurück ins Innere des
Langhauses. Renner wieherte und warf den Kopf wiederholt in
die Höhe, als der junge Mann vorüberging, woraufhin Danug
das Pferd anblickte und lächelte. Nahezu alle schienen
nachgerade ihre Freude an den Tieren zu haben, klopften sie
und redeten mit ihnen, wenn auch keiner mit der gleichen Vertrautheit wie Ayla. Es schien so natürlich, im Anbau der Erdhütte Pferde stehen zu haben. Wie schnell sie alle und er selbst auch vergessen hatten, wie fassungslos sie gewesen waren, als sie sie das erste Mal gesehen hatten. Er durchschritt den zweiten Eingangsbogen und sah Ayla neben der Bettplattform
stehen. Er zögerte, doch dann trat er beherzt zu ihr.
»Er ist hinauf auf die Steppen«, sagte er zu Ayla. »Es ist nicht
gerade das Richtige, bei dieser Kälte und diesem Wind allein
hinauszugehen, aber ganz so schlimm wie manchmal ist es im
Augenblick draußen nicht.«
»Willst du mir damit zu verstehen geben, daß ihm nichts
passieren wird, Danug?« Ayla sah ihn lächelnd an, und er war
momentan verlegen. Selbstverständlich würde Jondalar nichts
zustoßen. Der Zelandonii war weit gereist und konnte auf sich
selbst aufpassen. »Danke«, sagte sie zu ihm, »danke für deine
Hilfe und dafür, daß du überhaupt helfen möchtest.« Leicht
berührte sie seine Hand. Ihre Hände waren kühl, aber ihre
Berührung war warm, und er spürte das mit jener besonderen
Intensität, die sie in ihm weckte; auf einer tieferen Ebene freilich
spürte er, daß sie ihm mehr als nur das angeboten hatte: ihre
Freundschaft.
»Vielleicht gehe ich auch raus und sehe mal nach, ob was in
den Schlingen hängengeblieben ist, die ich gestellt habe«, sagte
er.
»Versuch’s doch mal auf diese Weise, Ayla«, sagte Deegie.
Kräftig stanzte sie mit einem kleinen Knochen ein Loch nahe an den Rand des Leders; der Knochen stammte vom Vorderlauf eines Polarfuchses, der sich nach unten verjüngte und mit Sandstein noch schärfer zugespitzt worden war. Dann versuchte sie, eine dünne Sehne über das Loch zu legen und sie hindurchzudrücken, doch kam sie offensichtlich einfach nicht damit zurecht und fühlte sich gründlich frustriert.
»Ich glaube, ich lerne das nie, Deegie!« rief sie klagend aus. »Du mußt nur üben, Ayla. Ich mache das nun, seit ich ein junges Mädchen war. Selbstverständlich ist es leicht für mich,
aber du schaffst es schon, wenn du nur nicht aufgibst, sondern es weiterversuchst. Es ist doch das gleiche, als wenn man versucht, mit einer Flintspitze einen kleinen Schlitz hineinzuschneiden und Lederriemen hindurchzuziehen, um Arbeitskleidung herzustellen, und das machst du doch wunderbar.«
»Aber es ist wesentlich schwerer, es mit einer dünnen Sehne und winzigen Löchern zu machen. Ich bekomme die Sehne einfach nicht hindurch und komme mir so unbeholfen vor! Ich begreife nicht, wie Tronie es fertigbringt, ihre Perlen und Borsten vom Stachelschwein anzunähen«, sagte Ayla und sah Fralie an, die damit beschäftigt war, in der Rinne eines Sandsteinblocks einen langen dünnen Elfenbeinzylinder entlangzurollen. »Ich hatte gehofft, sie würde es mir beibringen, damit ich den weißen Kittel hinterher damit besticken kann, aber ich weiß noch nicht mal, ob ich es schaffe, ihn so hinzubekommen, wie ich es mir vorstelle.«
»Das schaffst du schon, Ayla. Ich glaube, es gibt nichts, was du nicht schaffst, wenn du es wirklich willst«, sagte Tronie.
»Bis aufs Singen!« erklärte Deegie.
Alle lachten, Ayla nicht
Weitere Kostenlose Bücher