Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
der noch nicht drei Jahre alte Tasher, Fralies Kleinster, Notiz von den anderen Kindern nahm. Latie, die allmählich zu einer Frau heranwuchs, spielte immer weniger mit ihnen.
Die Kinder wurden liebevoll verwöhnt. Sie durften essen und schlafen, wo und wann sie wollten. Die Gewohnheit der Erwachsenen, Gebietsansprüche zu stellen und zu respektieren, hatten sie noch nicht; ihnen gehörte das gesamte Langhaus. Sie durften die Aufmerksamkeit der erwachsenen Lagerangehörigen auf sich lenken und machten oft die Feststellung, daß diese als interessante Ablenkung willkommen war; schließlich hatte niemand es besonders eilig oder mußte irgendwo anders hin. Wohin Neigung und Interesse die Kinder auch führte, es fand sich immer ein älteres Mitglied der Gruppe, das bereit war, ihnen zu helfen und Dinge zu erklären. Wollten sie Felle zusammennähen, gab man ihnen die dazu nötigen Geräte sowie Lederabfälle und Sehnenschnüre. Wollten sie Steinwerkzeuge herstellen, gab man ihnen kleine Feuersteinknollen sowie Stein- oder Knochenhämmer.
Sie rauften und tummelten sich und erfanden Spiele, die häufig Abwandlungen von Erwachsenentätigkeiten darstellten. Sie bauten ihre eigenen kleinen Herdfeuer und lernten den Umgang mit dem Feuer. Sie taten, als wären sie auf der Jagd, warfen Speere auf Fleischbrocken aus den Kaltvorratsräumen und kochten diese. Beim »Herdfeuer«-Spielen machten sie die Paarungsbewegungen ihrer Eltern nach, worüber diese nachsichtig lächelten. Kein einziger Aspekt des normalen Lebens wurde herausgepickt und ausgesondert als etwas, das verheimlicht oder unterdrückt werden müsse; alles diente als notwendige Unterweisung auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Einzig Gewalttätigkeit galt als tabu, insbesondere sehr grobe und unnötige Gewalttätigkeit.
Da sie so eng zusammenlebten, hatten sie die Erfahrung gemacht, daß nichts so geeignet war, ein Lager oder überhaupt Menschen zu zerstören, wie Gewalttätigkeit, zumal im Winter, wo sie ausschließlich auf die Erdhütte angewiesen waren. Ob durch Zufall oder mit Vorbedacht – jede Sitte, Gewohnheit, Gepflogenheit oder Verhaltensweise zielte selbst dann, wenn sie nicht offen dazu diente, darauf ab, die Gewalttätigkeit auf ein Mindestmaß zu beschränken. Allgemein gebilligte Verhaltensweisen ließen eine Vielfalt an Unterschieden in Tun und Handeln zu, die in der Regel nicht zu Gewalttätigkeiten führten oder die als anerkannte Betätigungsfelder für starke Gefühlsregungen galten. Das besondere Können eines jeden wurde unterstützt. Zu Duldsamkeit wurde ausdrücklich ermutigt; Eifersucht oder Neid fanden zwar allgemeines Verständnis, doch bei den anderen keine Unterstützung. Wettkämpfe, ja sogar das Austragen von Wortgefechten oder Streitgesprächen, wurden aktiv als Alternativen genutzt, aber ritualisiert, streng kontrolliert und innerhalb festgelegter Grenzen betrieben. Die Grundregeln eigneten die Kinder sich rasch an. Kreischen und Schreien war akzeptabel, Schlagen nicht.
Während Ayla den großen Wasserbeutel überprüfte, lächelte sie nochmals über die schlafenden Kinder, die gestern nacht noch bis sehr spät aufgewesen waren. Sie genoß es, wieder Kinder um sich zu haben. »Ehe wir losziehen, muß ich noch Schnee holen. Sauberen Schnee in der Nähe zu finden wird immer schwieriger.«
»Laß uns damit keine Zeit verschwenden«, sagte Deegie. »Wir haben an unserem Herdfeuer noch Wasser, und Nezzie auch. Wenn wir zurück sind, können wir Schnee holen.« Sie legte ihre dicke Winterkleidung für draußen an, während Ayla erst einmal Unterkleidung anziehen mußte.
»Ich habe einen Wasserbeutel und etwas zu essen dabei; wenn du also nicht besonders hungrig bist, könnten wir losziehen.«
»Das Frühstück kann noch warten, nur etwas heißen Tee muß ich mir machen«, sagte Ayla. Deegies Wunsch, möglichst bald fortzukommen, war ansteckend. Sie trieben sich also noch eine Weile draußen vor der Erdhütte herum, und eine Zeit allein mit Deegie zu verbringen klang schon verlockend.
»Ich glaube, Nezzie hat heißen Tee. Sie hat bestimmt nichts dagegen, wenn wir uns einen Becher davon nehmen.«
»Sie macht morgens immer Minztee. Da will ich mir rasch noch etwas holen, was ich … etwas, das ich morgens trinke. Und meine Schleuder will ich auch noch holen.«
Nezzie bestand darauf, daß die beiden jungen Frauen auch noch ein bißchen heiße Grütze aßen. Außerdem gab sie ihnen ein paar Scheiben von dem Braten von gestern abend mit. Talut
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