Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
wenn
man nicht möchte, daß sich um das Gesicht herum ein Eisrand
bildet. Aber es ist sehr schwer, sie mit Schlingen zu fangen, und
mit einem Speerjagd auf sie zu machen, ist eigentlich ein Ding
der Unmöglichkeit. Sie sind flink und tückisch. Mit deiner
Schleuder hat es ja geklappt, obwohl ich immer noch nicht
begreife, wie du es geschafft hast.«
»Als ich anfing mit der Schleuder, habe ich zuerst auf solche
Tiere Jagd gemacht. Meine erste Beute waren Fleischfresser, und
so habe ich ihre Verhaltensweisen als erstes kennengelernt.« »Wieso denn das?« fragte Deegie.
»Ich durfte ja überhaupt nicht jagen, und da habe ich keine
Tiere gejagt, die man essen kann, sondern nur solche, die uns
unsere Nahrung stahlen.«
Sie verzog das Gesicht und stieß ein eigentümliches
Schnauben aus; ihr war ein Licht aufgegangen. »Auf die Weise,
dachte ich, mache ich es wieder gut.«
»Und warum wollten sie nicht, daß du auf die Jagd gingst?« »Clan-Frauen dürfen nicht jagen … aber zuletzt haben sie mir
erlaubt, jedenfalls meine Schleuder zu benutzen.« Ayla hielt
einen Moment inne und dachte zurück. »Weißt du, daß ich
einen Vielfraß erlegt hatte, längst ehe ich mein erstes Kaninchen
tötete?« Sie mußte lächeln über den Widersinn, der darin lag. Erstaunt schüttelte Deegie den Kopf. Was für eine
merkwürdige Kindheit Ayla gehabt haben muß, dachte sie. Sie schickten sich an zu gehen, und während Deegie ihre
Füchse holen ging, nahm Ayla das weiche, weiße kleine Hermelin auf. Sie fuhr mit der Hand über sein gesamtes Fell bis
hinunter zur schwarzen Schwanzspitze.
»Ja, das ist es, was ich haben möchte. Hermeline!« erklärte
Ayla plötzlich.
»Aber du hast doch einen«, sagte Deegie.
»Nein. Ich meine, für den weißen Kittel. Ich stelle ihn mir mit
weißem Hermelinbesatz vor und mit den Schwänzen als
Schmuck. Mir gefallen diese Schwänze mit der schwarzen
Spitze.«
»Aber woher willst du genug Hermeline herbekommen, um
einen ganzen Kittel damit zu füttern?« fragte Deegie. »Bald wird
es Frühling, und dann bekommen sie ein anderes Fell.« »Viele brauche ich nicht, und wo einer ist, gibt es in der Nähe
für gewöhnlich noch mehr. Ich werde sie jagen. Jetzt gleich«,
sagte Ayla. »Ich muß mir nur noch ein paar gute Steine suchen.«
Sie schob Schnee beiseite und suchte am Ufer des zugefrorenen
Bachs nach Steinen.
»Jetzt?« fragte Deegie.
Ayla blieb stehen. In ihrer Aufregung hatte sie Deegie ganz
vergessen. Ihre Anwesenheit konnte das Aufspüren und
Anschleichen durchaus erschweren. »Du brauchst nicht auf
mich zu warten, Deegie. Kehre zurück. Ich finde den Weg
schon.«
»Zurückkehren? Dies möchte ich mir auf keinen Fall entgehen
lassen.«
»Kannst du ganz still sein?«
Deegie lächelte. »Ich bin nicht das erste Mal auf der Jagd,
Ayla.«
Ayla errötete; sie hatte das Gefühl, ins Fettnäpfchen getreten
zu sein.
»Ich wollte damit nicht sagen …«
»Das weiß ich doch«, erklärte Deegie und lächelte. »Ich denke,
ich könnte noch etwas lernen von einer, die einen Vielfraß
erlegte, ehe sie ihr erstes Kaninchen tötete. So ein Vielfraß ist
das tückischste, gemeinste, furchtloseste und bösartigste Tier,
das es gibt, Hyänen nicht ausgenommen. Ich habe gesehen, wie
sie Leoparden von der selbstgerissenen Beute vertrieben haben;
selbst mit einem Höhlenlöwen nehmen sie es auf. Ich werde
mich bemühen, dir nicht im Weg zu sein. Wenn du allerdings
meinst, ich würde die Hermeline vertreiben, sag es mir, und ich
warte hier auf dich. Aber laß mich nicht allein zurückgehen.« Ayla lächelte erleichtert und dachte, wie herrlich es war, eine
Freundin zu haben, die sie so schnell verstand. »Hermeline
stehen den Vielfraßen in nichts nach. Sie sind bloß viel kleiner,
Deegie.«
»Gibt es irgend etwas, das ich tun kann, um dir zu helfen?« »Wir haben immer noch von dem Braten übrig. Das könnte
nützlich sein, aber erst einmal müssen wir Fährten finden …
sobald ich genug Steine beisammen habe.«
Nachdem Ayla einen Haufen Wurfgeschosse beisammen hatte
und sie in den an ihrem Leibriemen hängenden Beutel steckte,
nahm sie ihren Proviantbeutel und schlang ihn sich über die
linke Schulter. Dann blieb sie stehen und suchte die Landschaft
nach einer Stelle ab, die ihr für einen Anfang vielversprechend
schien, Deegie stand nur einen Schritt hinter ihr und wartete,
daß sie die Führung übernahm. Fast als ob sie laut denke,
begann Ayla leise zu sprechen:
»Wiesel graben keinen Erdbau. Sie richten sich in
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