Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
sie sich näher an den Laut heran und
stieß ihrerseits ein Winseln aus. Diesmal klang die Antwort
schon näher, und dann erblickte sie zwei leuchtende Augen; als
sie jedoch nach dem Wolfsjungen griff, zog dieses sich leise
fauchend zurück, und Ayla spürte den Biß nadelscharfer Zähne
in der Hand.
»Au! Du wehrst dich ja!« sagte Ayla, doch dann lächelte sie.
»Aber wer sich wehrt, in dem steckt noch Leben. Jetzt komm,
kleiner Wolf. Es geschieht dir schon nichts. Komm!« Sie griff
abermals nach dem Welpen, ließ dabei ihr flehentliches Winseln
vernehmen und fühlte ein weiches Fellbündel. Beherzt
zupackend, zog sie das Wolfsjunge, das den ganzen Weg über
fauchte und strampelte, an sich heran. Dann schob sie sich
selbst aus dem Bau heraus.
»Schau, was ich gefunden habe, Deegie!« sagte Ayla, verzog
das Gesicht zu einem triumphierenden Grinsen und hielt einen
kleinen flauschigen grauen Wolfswelpen in die Höhe.
23
Jondalar war draußen und ging unruhig zwischen dem Haupteingang und dem Pferdeanbau hin und her. Selbst in dem warmen Überwurf, den er trug – ein alter von Talut –, spürte er noch den plötzlichen Abfall der Temperatur, als Sonne und Horizont aufeinandertrafen. Er war schon mehrere Male in der Richtung, die Ayla und Deegie eingeschlagen hatten, den Hang hochgestiegen und überlegte, ob er nicht nochmal hinaufgehen sollte.
Seit die beiden Frauen heute morgen fortgegangen waren, hatte er versucht, seine Angst zu unterdrücken; und als er am frühen Nachmittag angefangen hatte, draußen auf und ab zu laufen, hatten die anderen in der Erdhütte nur herablassend gelächelt; jetzt jedoch war er nicht mehr der einzige, der sich Sorgen machte. Sogar Tulie war ein paarmal den Hang hinaufgestiegen, und Talut redete davon, einen Suchtrupp zusammenzustellen, der mit Fackeln nach ihnen suchen sollte. Sogar Winnie und Renner schienen nervös.
Als das grelle Feuer im Westen hinter einem Wolkenstreifen versank, der dicht über dem Rand der Erde hing, wurde daraus ein genau umrissenes rotes Lichtrund; ein unwirklich jenseitiger Kreis ohne Tiefe und Masse, zu vollkommen und zu symmetrisch, als daß er in eine natürliche Umgebung gepaßt hätte. Dabei war es die schimmernde rote Kugel, welche die Wolken färbte und dem bleichen Teilgesicht des anderen unirdischen Gefährten, der tief über dem Osthimmel hing, einen gesunden Hauch verlieh.
Gerade als Jondalar sich anschickte, den Hang noch einmal hinaufzusteigen, tauchten oben am Rand zwei Gestalten auf – deutlich erkennbare Umrisse vor einem lebhaft lavendelfarbenen Hintergrund, der in leuchtendes Indigoblau hineinspielte. Hoch droben glänzte ein einzelner Stern. Jondalar stieß einen tiefen Seufzer aus und ließ sich gegen die gewölbten Stoßzähne fallen. Der plötzliche Wegfall der Spannung machte ihn ganz schwindelig. Sie waren heil und ganz. Ayla war nichts zugestoßen!
Doch warum waren sie so lange fortgeblieben? Sie hätten es wissen müssen, daß alle große Angst um sie ausstanden. Was konnte sie so lange ferngehalten haben? Vielleicht waren sie in Schwierigkeiten geraten. Er hätte ihnen doch folgen sollen.
»Sie kommen! Sie kommen!« rief Latie.
Nur halb bekleidet, kamen Leute aus der Erdhütte herausgelaufen. Wer ohnehin schon draußen und angekleidet
war, rannte ihnen entgegen, den Hang hinauf.
»Warum habt ihr so lange gebraucht? Es ist fast dunkel. Wo
seid ihr gewesen?« verlangte Jondalar zu wissen, sobald Ayla die
Erdhütte erreichte.
Erstaunt sah sie ihn an.
»Laßt uns erst hineingehen«, sagte Tulie. Deegie wußte, daß
ihre Mutter alles andere als glücklich war; aber sie waren den
ganzen Tag über draußen gewesen, sie waren erschöpft, und es
wurde rasch empfindlich kälter. Vorwürfe konnten sie ihnen
später immer noch machen; zunächst einmal mußte Tulie
feststellen, daß alles in Ordnung mit ihnen war. Folglich drängte
sie sie förmlich hinein, geradewegs durch den Vorraum und in
den Kochbereich hinüber.
Deegie, die froh war, ihre Lasten abwerfen zu können, hob
sich den Kadaver der schwarzen Wölfin, der ihr auf der Schulter gelegen hatte und steifgefroren war, herunter. Als sie ihn auf die Matte fallen ließen, wurden erstaunte Rufe laut, und Jondalar
erbleichte. Sie waren also tatsächlich in Gefahr gewesen! »Das ist ein Wolf!« sagte Druwez und sah seine Schwester
ehrfurchtsvoll an. »Woher hast du den Wolf?«
»Warte, bis du siehst, was Ayla mitgebracht hat«, sagte Deegie
und holte die weißen Polarfüchse aus
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