Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
kehrte ihr den Rücken zu,
war außerstande, sie anzublicken, und schlug die Hände vors
Gesicht. Er konnte sich nicht umdrehen. Er ging davon, wütend
auf sich selbst, scham- und reueerfüllt. Wenn er sich nicht
sicher sein konnte, ihr nichts zuleide zu tun, mußte er sich von
ihr fernhalten und dafür sorgen, daß auch sie sich von ihm
fernhielt. Sie tut recht daran, Ranec zu wählen, dachte er. Ich
verdiene sie nicht. Er hörte sie aufstehen und zu den Pferden
gehen. Dann hörte er sie auf sich zukommen und fühlte ihre
Hand auf seinem Arm.
»Jondalar, du hast mir nicht …«
Er fuhr herum. »Bleib mir vom Leibe!« fauchte er voller
Schuldgefühl und voller Zorn auf sich selbst.
Sie wich zurück. Was hatte sie jetzt wieder falsch gemacht? »Jondalar …?« sagte sie und machte wieder einen Schritt auf
ihn zu.
»Bleib mir vom Leibe! Hast du mich nicht gehört? Wenn du
mir nicht vom Leibe bleibst, könnte ich mich vergessen und dir
nochmals Gewalt antun!« Wie eine Drohung kam das heraus. »Du hast mit keine Gewalt angetan, Jondalar«, sagte sie, als er
sich umdrehte und mit großen Schritten fortging. »Du kannst
mir gar keine Gewalt antun. Es gibt keinen Augenblick, da ich
nicht bereit für dich wäre …«
Aber sein Denken war so angefüllt mit Reue und Selbsthaß,
daß er sie gar nicht hörte.
Er hielt keinen Moment inne, lenkte seine Schritte zurück
zum Löwen-Lager. Eine Weile sah sie ihm nach, versuchte ihre
Gedanken zu ordnen. Dann wandte sie sie wieder den Pferden
zu. Renners Führstrick nahm sie in die Hand, hielt sich mit der
anderen an Winnies hochstehender Mähne fest, saß auf und
hatte Jondalar bald eingeholt.
»Du willst doch wohl nicht etwa den ganzen Weg zurück zu
Fuß gehen, oder?« sagte sie.
Zuerst gab er ihr keine Antwort, ja, drehte nicht einmal den
Kopf nach ihr. Wenn sie sich einbildete, er würde nochmals
hinter ihr auf dem Pferd reiten … dachte er, als sie neben ihm
ritt. Aus den Augenwinkeln heraus sah er, daß sie den
Junghengst hinter sich herführte, und so wandte er ihr
schließlich das Gesicht zu.
Voller Zärtlichkeit und voller Sehnsucht sah er sie an. Sie kam
ihm reizvoller und begehrenswerter vor denn je, jetzt, wo er sich
sicher war, alles verdorben zu haben. Schmerzlich sehnte sie sich
danach, ihm nahe zu sein, ihm zu sagen, wie wunderbar es
gewesen war, wie erfüllt und vollkommen sie sich vorkam, ja,
und wie sehr sie ihn liebte. Doch er war so böse gewesen, und
sie war verwirrt; sie wußte nicht, was sie sagen sollte.
Sie starrten einander an, verlangten nacheinander, fühlten
sich zueinander hingezogen, doch ihr schweigender Ruf der
Liebe verhallte ungehört in dem Gebrodel des gegenseitigen
Mißverstehens und unterschiedlicher kulturbedingter
Vorstellungen, die beiden in Fleisch und Blut übergegangen
waren.
27
»Ich finde, du solltest auf Renner zurückreiten«, sagte Ayla. »Zu Fuß ist es ein langer Weg.«
Ein langer Weg, dachte er. Wie weit war er jetzt von daheim weg? Aber er nickte und folgte ihr bis zu einem Felsen am Rand eines kleinen Bachs. Renner war es nicht gewohnt, einen Reiter zu tragen. Man mußte beim Aufsitzen immer noch behutsam vorgehen. Wieder legte der Hengst die Ohren an und tänzelte erregt hin und her, doch dann beruhigte er sich und folgte, wie schon so oft, seiner Mutter.
Auf dem Rückritt fiel kein Wort zwischen ihnen, und als sie ankamen, waren sie beide froh, daß die Leute entweder im Inneren der Erdhütte waren oder irgendwo in der Umgebung, wo man sie nicht sah. Keinem von beiden war nach unverbindlichem Geplauder zumute. Sobald die Pferde stehenblieben, saß Jondalar ab und ging auf den Vordereingang zu. Da er das Gefühl hatte, doch etwas sagen zu sollen, drehte er sich gerade in dem Augenblick noch einmal um, als Ayla den Anbau betrat.
»Hm … Ayla?«
Sie blieb stehen und sah auf.
»Weißt du, das war ehrlich von mir gemeint. Ich werde diesen
Nachmittag nie vergessen. Den Ritt, meine ich. Vielen Dank.« »Bedanke dich nicht bei mir, Jondalar. Danke Renner.« »Schon, ja, aber Renner hat es ja nicht allein getan.« »Nein, du hast es zusammen mit ihm getan.«
Er wollte noch etwas sagen, besann sich dann jedoch, runzelte die Stirn, sah zu Boden und verschwand durch den vorderen Eingangsbogen.
Einen Moment starrte Ayla auf die Stelle, wo er gestanden hatte, schloß die Augen und mußte gegen ein Schluchzen ankämpfen. Nachdem sie die Fassung wiedergewonnen hatte, ging sie hinein. Obwohl die Pferde unterwegs gesoffen hatten, goß
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