Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
spricht mit den Händen«, erklärte
Frebec. Allgemeines höhnisches Gelächter war die Antwort.
Ayla beobachtete ihn; ihre Neugier war geweckt. Frebec hatte es
gar nicht gern, wenn man sich über ihn lustig machte. »Dann glaub mir eben nicht!« erklärte er schulterzuckend und
wollte schon gehen, als ob es keine Rolle spielte; doch dann
drehte er sich um und sah den Mann an, der sich über Rydag
lustig gemacht hatte. »Aber noch was laß dir sagen: Er kann
auch zu diesem Wolf sprechen, und wenn er ihm den Befehl
gäbe, dich anzufallen, möchte ich nicht in deiner Haut stecken.« Ohne daß Chaleg es mitbekommen hätte, hatte Frebec dem
Jungen Zeichen gegeben; das Spiel der Hände sagte dem
Fremden nichts. Rydag wiederum hatte sich ratsuchend an Ayla
gewandt. Das gesamte Löwen-Lager sah zu und amüsierte sich
köstlich in dem Wissen, was für Folgen diese geheime
Zeichensprache haben würde, mit der sie sich vor all diesen
Leuten verständigen konnten, ohne daß diese es auch nur
merkten, geschweige denn verstanden.
Ohne sich umzudrehen, fuhr Frebec fort: »Warum zeigst du’s
ihm nicht, Rydag?«
Plötzlich saß Wolf nicht mehr friedlich da. Mit einem Satz war
Wolf auf den Mann zugefahren, sträubte die Nackenhaare,
bleckte die Zähne und stieß ein Knurren aus, daß sich einem
jeden der Zuschauer die Nackenhaare sträubten. Die Augen des
Mannes weiteten sich vor Entsetzen, und er fuhr zurück. Die
meisten in seiner Nähe taten dasselbe, doch Chaleg wich immer weiter zurück. Auf Rydags Zeichen hin kam Wolf dann ruhig zurückgetrottet zu dem Jungen, schien ausgesprochen zufrieden mit sich selbst, sah sich noch ein paarmal um und streckte sich, den Kopf zwischen den Vorderläufen, auf dem Boden aus und
beobachtete Ayla.
Es hätte auch schiefgehen können, daß mußte Ayla zugeben.
Allerdings hatte der Befehl, der Wolf durch Zeichen gegeben
worden war, nicht regelrecht bedeutet: faß! Vielmehr war es ein
Spiel, das die Kinder mit Wolf spielten, ein schnelles
Vorschießen, So-tun-als-ob, ein Spiel, das Jungwölfe ständig
miteinander spielten, nur daß Wolf beigebracht bekommen
hatte, nicht richtig zuzubeißen. Ayla hatte bei ihren
Jagdausflügen ein ähnliches Zeichen gemacht, wenn sie wollte,
daß er Wild für die aufscheuchte. Wenn er auch manchmal
trotzdem zupackte und die Tiere selber riß, hatte das nichts mit
einem Signal zu tun, tatsächlich anzugreifen; so hatte Wolf den
Mann auch nicht angerührt. Er war nur auf ihn zugesprungen.
Aber welche Gefahr, daß er es vielleicht doch hätte tun können! Ayla wußte, wie sehr Wölfe ihr Territorium oder auch das
eigene Rudel verteidigten. Dazu waren sie durchaus bereit zu
töten. Jawohl, dachte sie, als sie ihn zurückkehren sah, wenn
Wölfe lachen könnten, würde er jetzt lachen. Sie spürte einfach,
daß er ganz genau wußte, was vorging; daß das ganze nur ein
Bluff gewesen war; und daß er genau aufs Bluffen sich
vortrefflich verstand. Es handelte sich nicht einfach um einen
Scheinangriff, auch hatte die Art, wie er sich bewegte, nichts
Spielerisches. Er ließ durch alles und jedes erkennen: Ich greife
jetzt an. Und hatte dann unmittelbar vor dem Zupacken
aufgehört. Plötzlich so vielen Menschen ausgesetzt zu sein war
für den jungen Wolf nicht leicht gewesen, aber er hatte seine
Sache sehr gut gemacht. Und jetzt zu sehen, was für ein Gesicht dieser Mann machte – das war es wert gewesen, das Risiko
einzugehen. Rydag war kein Tier!
Branag sah aus, als wäre ihm das alles in die Glieder gefahren,
doch Deegie grinste, als sie sich Tulie und Talut sowie einem
anderen Paar zugesellten. Ayla wurde den beiden Anführern des
Gastgeberlagers in aller Form vorgestellt und wußte sofort, was
alle anderen ohnehin wußten. Madie war sehr krank. Sie sollte
nicht einmal hier stehen, dachte Ayla und verschrieb ihr im
Geiste Heilkräuter und bestimmte Verhaltensweisen. Als sie die
Hautfarbe sah, die Trübung des Auges, die spröde
Beschaffenheit von Haut und Haar, fragte sich Ayla, ob
überhaupt noch etwas helfen könnte, doch ahnte sie auch die
Kraft, die in dieser Frau steckte. Marlie würde nicht so leicht
aufgeben, und das konnte wichtiger sein als jede Medizin. »Du hast uns da etwas Tolles gezeigt, Ayla«, sagte Marlie.
Auch ihr fielen die Besonderheiten ihrer Sprechweise auf. »Wer
hat denn nun dem Wolf befohlen – du oder der Junge?« »Ich weiß nicht«, sagte sie lächelnd. »Wolf reagiert auf Signale,
aber wir haben sie beide gegeben.«
»Wolf? Du sagst das, als
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