Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
Deegie den Mann, dem sie anverlobt war, an.
»Dann weißt du es wirklich nicht, oder? Ich weiß nicht, wieso
ich glaubte, daß du weißt, was ich weiß. Frebec hat sich nicht
einfach was aus den Fingern gesogen, um das Löwen-Lager zu
verteidigen. Er hat ganz einfach die Wahrheit gesagt. Rydag
versteht wirklich, was man sagt – was jeder sagt; er hat es immer
verstanden. Das haben wir nur nicht gewußt, bis Ayla uns seine
Zeichensprache beibrachte, so daß wir ihn verstehen konnten.
Als Frebec so tat, als wollte er weggehen, hat er es Rydag gesagt,
und Rydag wiederum hat Ayla gefragt, ob er es tun soll. Wir
haben alle gewußt, was sie einander sagten, und deshalb wußten
wir auch, was passieren würde.«
»Ist das wirklich wahr?« fragte Branag. »Ihr habt miteinander
geredet, und niemand hat es gehört?« Er lachte. »Ja, wenn ich in
Zukunft an den Überraschungen des Löwen-Lagers teilhaben
soll, tue ich wohl gut daran, diese Geheimsprache auch zu
erlernen.«
»Ayla!« rief Crozie, die gerade aus dem Zelt herauskam. Sie
blieben stehen und warteten auf sie. »Tulie hat mir gerade
gesagt, was ihr vorhabt, um die Pferde zu kennzeichnen«, sagte
sie, als sie auf sie zukam. »Das finde ich eine sehr gute Idee, und
Rot wirkt besonders gut bei einem hellen Pferd. Aber ihr habt ja
keine zwei leuchtend rote Häute. Beim Auspacken ist mir was in
die Hände gefallen, was ich dir gern schenken möchte.« Sie
wickelte ein vor kurzem schon einmal aufgemachtes Bündel aus,
nahm eine zusammengefaltete Haut heraus und schüttelte sie
aus.
»Ach, Crozie!« rief Ayla entzückt. »Der ist ja wunderschön!«
sagte sie vor Ehrfurcht ganz leise über den mit
Elfenbeinkügelchen reich bestickten kreideweißen Lederumhang; mit ockerrot gefärbten Igelstacheln waren Muster von rechtwinklig angeordneten Spiralen und
Zickzacklinien draufgestickt.
Als sie die Bewunderung aus Aylas Stimme heraushörte,
leuchtete es in Crozies Augen auf. Nachdem sie selbst sich einen
Kittel gearbeitet hatte, wußte Ayla, wie schwierig es war, weißes
Leder herzustellen. »Das ist für Renner. Ich meine, Weiß auf
seinem dunkelbraunen Fell ist weithin sichtbar.«
»Crozie, dafür ist er viel zu schön. Da wird er schmutzig und
verstaubt. Besonders wenn er versucht, sich auf dem Rücken zu
wälzen, geht der ganze Schmuck ab. Ich kann unmöglich
zulassen, daß Renner dies auf der Weide trägt«, sagte Ayla,
Crozie blickte sie streng an. »Wenn jemand auf der Pferdejagd
ist und ein braunes Pferd mit einer schön verzierten weißen
Decke sieht – meinst du, so ein Jäger zielt noch mit seinem
Speer darauf?«
»Nein, das nicht, aber du hast viel zuviel Arbeit
hineingesteckt, als daß man zulassen könnte, daß es jetzt
zerstört wird.«
»Diese Arbeit liegt viele Jahre zurück«, sagte Crozie; ihr
Gesicht wurde ganz weich, und die Augen wurden ihr feucht, als
sie noch hinzusetzte:
»Der Umhang sollte für meinen Sohn sein, Fralies Bruder. Ich
habe es nie fertiggebracht, ihn jemand anders zu schenken. Ich
hätte es nicht ertragen können zu sehen, wie jemand anders ihn
trägt, aber wegwerfen konnte ich ihn auch nicht. So habe ich
den Umhang ständig mit mir rumgeschleppt, ein unnützes
Stück Leder, an das ich völlig überflüssige Mühe gewendet habe.
Wenn diese Haut hilft, das Tier zu schützen, ist es nicht mehr
unnütz, dann gewinnt die Arbeit doch noch einigen Wert. Ich
möchte, daß du ihn nimmst – für das, was du mir gegeben
hast.«
Ayla nahm das Geschenk, machte jedoch ein verwirrtes
Gesicht. »Was soll ich dir gegeben haben, Crozie?«
»Das ist belanglos«, sagte diese unvermittelt. »Nimm es
einfach!«
Frebec wollte ins Zelt hinein, sah sie und lächelte
selbstzufrieden, ehe er hineinging. Sie erwiderte das Lächeln. »Ich war höchst überrascht, als Frebec vortrat, um für Rydag
einzutreten und ihn zu verteidigen«, sagte Branag. »Von dem
hätte ich es nun zu allerletzt erwartet.«
»Er hat sich sehr verändert«, sagte Deegie. »Er streitet zwar
immer noch gern, aber es ist nicht mehr schwer, mit ihm
auszukommen. Manchmal ist er auch bereit zuzuhören.« »Nun, vorzutreten und zu sagen, was er dachte – davor hatte
er noch nie Angst«, sagte Branag.
»Vielleicht war es das«, sagte Crozie. »Ich habe nie begriffen,
was Fralie an ihm fand, und habe mein Bestes getan, sie von ihm
abzubringen. Er hatte überhaupt nichts zu bieten. Seine Mutter
besaß keinen Rang, er verfügte über keine besonderen Gaben,
und ich dachte, sie wirft sich einfach weg.
Weitere Kostenlose Bücher