Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
Vielleicht spricht es
schon für ihn, daß er überhaupt den Mumm hatte, Fralie zu
fragen, und er hat sie wirklich gewollt. Ich hätte ihrem Urteil
wohl immer trauen sollen, denn schließlich ist sie meine
Tochter. Daß jemand aus ärmlichen Verhältnissen stammt,
bedeutet schließlich nicht, daß nicht noch was aus ihm werden
kann.«
Branag sah Deegie an und dann – über Crozies Kopf hinweg –
Ayla. Seiner Meinung nach hatte Crozie sich womöglich noch
stärker verändert als Frebec.
32
Ayla war allein im Zelt. Sie warf noch einmal einen Blick auf den ihr für die Dauer ihres Aufenthalts zugewiesenen Platz, versuchte noch etwas zum Zusammenlegen zu finden, noch etwas, das geordnet werden mußte, noch einen Grund, um das Verlassen des Rohrkolben-Lagers hinauszuschieben. Sobald sie soweit sei, hatte Mamut ihr gesagt, wolle er sie mit den Leuten bekannt machen, mit denen sie auf eine besondere Weise verbunden war: den Mamuti, denen, die zum Herdfeuer des Mammut gehörten.
Sie sah in dieser Begegnung eine schwere Prüfung, denn sie war sicher, daß sie sie ausfragen wollten, sie bewerten und sich ein Urteil darüber bilden, ob sie auch wirklich ein Recht habe, in ihren Rang aufgenommen zu werden. Sie selbst hatte nicht das Gefühl, besondere Gaben zu besitzen. Eine Heilkundige war sie, weil sie Können und Wissen einer Medizinfrau von Iza beigebracht bekommen hatte. Und daß sie die Tiere hatte, beruhte auch auf keiner besonderen Magie. Die Stute reagierte auf sie, weil – als sie allein und einsam in ihrem Tal gewesen war – sie ein mutterloses Füllen zu sich genommen hatte, um Gesellschaft zu haben; und Renner war dort geboren worden. Wolf wiederum hatte sie gerettet, weil sie es seiner Mutter schuldig war; inzwischen hatte sie durch Erfahrung gelernt, daß Tiere, die zusammen mit Menschen aufwachsen, freundlich zu diesen sind. Was sollte daran schon Geheimnisvolles sein?
Rydag war eine Zeitlang drinnen im Zelt bei ihr geblieben, nachdem sie ihn untersucht und ihm ein paar bestimmte Fragen darüber gestellt hatte, wie er sich fühle, woraufhin sie sich vorgenommen hatte, seine Medizin ein wenig anders zusammenzustellen. Dann war er hinausgegangen und hatte sich zu Wolf gesetzt, um die Menschen zu beobachten. Nezzie war ihrer Meinung gewesen, daß der Junge in besonders guter Stimmung sei. Die Frau freute sich rechtschaffen und war voll des Lobes für Frebec, der wiederum so viele Lobesworte zu hören bekommen hatte, daß es ihn fast verlegen machte. Ayla hatte ihn noch nie so viel lächeln sehen, und wußte, daß ein Teil seines Glücklichseins von dem Gefühl herrührte, endlich akzeptiert zu werden und dazuzugehören. Für dieses Gefühl hatte sie Verständnis.
Ayla warf einen letzten Blick in die Runde, nahm einen kleinen gefüllten Lederbeutel und befestigte diesen an ihrem Leibriemen. Dann stieß sie einen Seufzer aus und ging nach draußen. Bis auf Mamut, der sich mit Rydag unterhielt, schienen alle fort zu sein. Als Wolf sie sah, hob er den Kopf, was wiederum Rydag und Mamut veranlaßte, gleichfalls aufzublicken.
»Sind alle fort? Vielleicht sollte ich hierbleiben und auf Rydag aufpassen, bis jemand zurückkommt«, erbot sie sich.
»Wolf paßt auf mich auf«, gab Rydag ihr durch seine Zeichen zu verstehen und grinste. »Wenn sie Wolf sehen, bleibt keiner länger hier. Ich habe Nezzie gesagt, sie solle gehen. Und du, geh jetzt auch, Ayla.«
»Er hat recht. Wolf scheint zufrieden, hier bei Rydag zu bleiben, und einen besseren Wächter kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Mamut.
»Und was ist, wenn ihm übel wird?« sagte Ayla.
»Wenn mir übel wird, sage ich zu Wolf: ›Hole Ayla!‹« Rydag machte das Zeichen, das sie zuvor in Praxis und Spiel eingeübt hatten. Wolf sprang auf, legte Ayla die Vorderpfoten auf die Brust und wollte ihr das Kinn lecken.
Lächelnd kraulte sie ihm das Fell am Hals und gab ihm dann das Zeichen, von ihr abzulassen.
»Ich möchte gern hierbleiben, Ayla. Ich sitz’ gern da und sehe zu: Fluß, Pferde auf der Weide. Leute, die vorübergehen.« Rydag grinste. »Sie nehmen mich nicht immer wahr. Sie starren das Zelt an, starren zum Pferdeunterstand. Dann sehen sie Wolf. Komische Leute!«
Mamut und Ayla lächelten über sein schlichtes Entzücken über die erstaunten Reaktionen der Leute.
»Nun, es wird wohl gehen. Nezzie hätte ihn nicht allein zurückgelassen, wenn sie nicht meinte, sie könnte ihn unbesorgt sich selbst überlassen«, sagte Ayla. »Ich bin soweit,
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