Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
Mamut.«
Als sie zu den festeren Hütten des Wolfs-Lagers hinübergingen, fiel Ayla auf, daß die Zelte und Wohnlager hier dichter beieinander standen und es dazwischen von Menschen nur so wimmelte. Sie war froh, daß sie ihr Lager am Rande aufgeschlagen hatten, wo sie hinausblicken und Bäume und Gras, Fluß und Weide sehen konnten. Etliche Leute nickten ihnen zu oder sagten sogar ein paar Worte, als sie vorübergingen. Ayla beobachtete Mamut, bemerkte, wie er ihre Grüße zur Kenntnis nahm und erwiderte.
Ein Zelt am Ende der nicht sehr geraden Reihe von sechs Hütten schien den Mittelpunkt aller Aktivitäten zu bilden. Ayla fiel ein freier Raum auf, der dies Zelt umgab. In unmittelbarer Nähe hatte niemand sein Lager aufgeschlagen; offenbar war dies der Platz, wo sich alle versammelten. Die unmittelbar an diesen freien Raum angrenzenden Hütten schienen nicht gewöhnlichen Wohnzwecken zu dienen. Eine wies einen Zaun aus Mammut-Knochen und getrocknetem Reisig auf, um sich von allem anderen abzugrenzen. Als sie vorüberkamen, hörte sie ihren Namen rufen. Sie blieb stehen und fragte sich verwundert, wer sie von der anderen Seite des Zauns habe rufen können.
»Latie!« sagte sie, und ihr fiel ein, was Deegie ihr erzählt hatte. Solange Latie noch in der Erdhütte des Löwen-Lagers gelebt hatte, waren ihrem Umgang mit Männern keine allzu strikten Grenzen gesetzt gewesen. Nachdem sie jedoch den Treffpunkt erreicht hatten, war es notwendig geworden, sie in Abgeschiedenheit zu halten. Etliche andere junge Frauen waren bei ihr, und alle lächelten und kicherten. Ayla wurde Laties Altersgenossinnen vorgestellt, die alle eine gewisse ehrfürchtige Scheu vor ihr zu haben schienen.
»Wohin willst du, Ayla?«
»Zum Herdfeuer des Mammut«, antwortete Mamut an ihrer Stelle.
Latie nickte, als hätte sie das wissen müssen. Ayla fiel auf, daß Tulie sich in dem abgegrenzten Hofbereich um das mit ockerroten Mustern verzierte Zelt herum aufhielt, wo sie sich mit mehreren anderen Frauen unterhielt. Sie winkte und lächelte.
»Latie, schau! Ein Rotfuß«, sagte eine ihrer Freundinnen leise, aber doch erregt. Alle hörten auf zu reden und schauten herüber, und die jungen Frauen kicherten wieder. Ayla selbst konnte nicht umhin, mit größtem Interesse der Frau nachzusehen, die vorübergeschlendert kam und dabei erkennen ließ, daß die Sohlen ihrer nackten Füße leuchtend rot gefärbt waren. Sie hatte zwar schon von ihnen gehört, doch war dies die erste, die sie tatsächlich zu Gesicht bekam. An sich schien sie eine ganz gewöhnliche Frau zu sein, dachte Ayla. Und doch hatte sie etwas an sich, das sie zweimal hinsehen ließ.
Die junge Frau näherte sich einer Gruppe junger Männer, die Ayla zuvor nicht gesehen hatte und die sich um eine kleine Baumgruppe auf der anderen Seite der freigemachten Hofbereiche herumdrückte. Ayla fand, daß ihr Gang etwas Herausforderndes bekam, je mehr sie sich ihnen näherte, und ihr Lächeln etwas Schmachtendes; jetzt fielen ihr auch die rotgefärbten Sohlen deutlicher auf. Die Frau blieb stehen, redete mit den jungen Männern, und ihr girrendes Lachen war weithin zu vernehmen. Als Ayla mit dem alten Mann weiterging, fiel ihr das Gespräch ein, das die alten Frauen – und Mamut – am Vorabend des Frühlings-Festes geführt hatten.
All die jungen Frauen, die sich im Übergangsstadium des Noch-nicht-ganz-Frau-Seins befanden, wurden ständig streng beaufsichtigt – und zwar nicht nur von den Frauen, die eigens dazu bestimmt waren. Jetzt fielen Ayla mehrere Gruppen von jungen Männern auf, die sich in der Hoffnung auf einen Blick auf die verbotenen und daher um so begehrenswerteren jungen Frauen am Rand des Tabubereiches herumdrückten, in dem Latie und ihre Altersgenossinnen sich aufhielten. Nie mehr in ihrem ganzen Leben war eine Frau Gegenstand des Interesses der männlichen Bevölkerung. Die jungen Frauen genossen ihren besonderen und einmaligen Status und die besondere Aufmerksamkeit, die er ihnen eintrug, und waren ihrerseits genauso neugierig auf das andere Geschlecht, nur daß sie es als unter ihrer Würde betrachteten, sich das offen anmerken zu lassen. Die meiste Zeit über verbrachten sie damit, aus dem Zelt hinaus- oder um den Zaun herum herauszuspähen und sich in Mutmaßungen über die verschiedenen Männer zu ergehen, die sich mit übertriebenem Gleichmut an der Peripherie herumdrückten.
Wiewohl die jungen Männer, die beobachteten und ihrerseits beobachtet wurden, irgendwann einmal ein
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