Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
Leibriemen, den sie und Mamut sich von Barzec erbeten hatten, und holten Zunder, Pyritwürfel und Feuerstein heraus. Nachdem alles bereit war, hielt Ayla inne, und schickte zum ersten Mal seit vielen Mondzyklen ein stummes Gedenken zu ihrem Totem. Es handelte sich nicht um eine ausgesprochene besondere Bitte, sie dachte vielmehr an einen großen, eindrucksvollen und rasch überspringenden Funken, auf daß die Wirkung so ausfalle, wie Mamut sie sich erhoffte. Dann nahm sie den Flintstein zur Hand und schlug ihn gegen den Eisenpyrit. Es blitzte hell auf, selbst in dem Zelt, dann erlosch der Funke. Wieder schlug sie zu, und diesmal sprang er über, und bald brannte das kleine Feuer auf der Feuerstelle wieder.
Die Mamutoi waren geübt im Umgang mit Kunstfertigkeit und gewohnt daran, Wirkungen zu erzeugen. Stolz taten sie sich etwas darauf zugute imstande zu sein, zu erkennen, wie Dinge erreicht wurden. Es gab nur wenig, was sie überraschte, aber Aylas Feuertrick machte sie sprachlos.
»Die Magie liegt in dem Pyritwürfel selbst«, sagte Mamut, als Ayla die Dinge in den Lederbeutel zurücktat und diesen Lomie überreichte. Dann jedoch veränderten sich Ton und Eigentümlichkeit seiner Stimme. »Aber die Art und Weise, wie man das Feuer aus ihm herausholt, wurde Ayla gezeigt. Ich brauchte sie nicht erst zu adoptieren, Lomie. Sie war von vornherein ein Kind vom Herdfeuer des Mammut, war von Der Mutter auserkoren, ein solches zu sein. Sie kann nur ihrer Bestimmung folgen, doch jetzt weiß ich, daß ich ausersehen wurde, eine Rolle dabei zu spielen, und warum mir so viele Jahre gewährt wurden.«
Seine Worte ließen jeden im Zelt vom Herdfeuer des Mammut erschauern und bewirkten, daß sich ihnen die Nackenhaare sträubten. Mamut hatte an ein echtes Mysterium gerührt, an die tiefere Berufung, die ein jeder von ihnen über oberflächlichen Putz und beiläufigen Zynismus hinaus bis zu einem gewissen Grade in sich spürte. Der alte Mamut war ein Phänomen. Allein die Fülle seiner Jahre hatte etwas Magisches. Niemand hatte je so lange gelebt. Selbst sein Name war im Vorübergehen der Jahre verlorengegangen. Jeder einzelne von ihnen war ein Mamut, der Schamane seines Lagers – er jedoch war Mamut schlechthin, sein Beruf und sein Name waren eins geworden. Keiner von ihnen zweifelte daran, daß mit seinem hohen Alter etwas bezweckt wurde. Und wenn er sagte, Ayla sei der Grund, dann war sie erfüllt von den tiefen und unergründlichen Mysterien des Lebens und der Welt um sie herum, mit denen ein jeder von ihnen sich aufgerufen fühlte zu ringen.
Als sie zusammen mit Mamut das Zelt verließ, war sie besorgt. Auch sie hatte die Spannung gespürt, und sie hatte eine Gänsehaut bekommen, als der alte Mamut von ihrem Schicksal sprach; nur wünschte sie sich nicht, Gegenstand so großen Interesses von Mächten zu sein, die ihrer Kontrolle entzogen waren. Es war erschreckend, dies ganze Schicksalsgerede. Sie war nicht anders als alle anderen, und sie wollte es nicht sein. Sie mochte es auch nicht, wenn man Bemerkungen über ihre Sprechweise machte. Im Löwen-Lager fiel sie keinem mehr auf. Sie hatte vergessen, daß es einige Wörter gab, die sie einfach nicht richtig hinbekam, auch wenn sie sich noch so sehr bemühte.
»Ayla, da bist du ja! Ich hatte schon nach dir gesucht.«
Als sie aufblickte, sah sie in die blitzenden dunklen Augen und das breite strahlende Lächeln des dunkelhäutigen Mannes, dem sie anverlobt war. Sie erwiderte sein Lächeln. Er war genau der Richtige, sie von den Gedanken abzulenken, die sie bedrückten. Sie sah Mamut an, um zu sehen, ob er sie noch brauchte. Der lächelte und sagte ihr, sie solle nur gehen und sich zusammen mit Ranec das Lager ansehen.
»Ich möchte gern, daß du ein paar Bildschnitzer kennenlernst. Einige von ihnen machen sehr schöne Dinge«, sagte Ranec und führte sie, indem er ihr den Arm um die Hüfte legte. »Wir haben immer ein Lager in der Nähe vom Herdfeuer des Mammut. Und zwar nicht nur Bildschnitzer, sondern auch andere Künstler.«
Er war aufgeregt, und Ayla klopfte das Herz bis zum Hals hinauf, genauso wie es eben gewesen war, als sie erkannte, daß Lomie eine Heilkundige war. Mochte es, was Können und zuerkannten Status betraf, auch eine gewisse Konkurrenz geben, niemand verstand die feinen Unterschiede eines Handwerks oder einer Kunst so gut wie einer, der diese seinerseits ausübte. Nur mit einer anderen Heilkundigen konnte sie zum Beispiel darüber reden, was nun besser sei
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