Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
Sie schrie auf, schlug ihn ihrerseits ins Gesicht, so daß ihm die Lippe platzte.
»Hilf mir, Ayla!« sagte Deegie und stürzte sich auf die beiden Kinder, die sich auf dem Boden wälzten. Sie war zwar nicht ganz so stark wie ihre Mutter, aber sie war eine große und kräftige junge Frau, und als sie den Jungen zu fassen bekam, der in diesem Augenblick auf seiner Schwester saß, konnte dieser nichts dagegen tun. Ayla hielt das Mädchen fest, das sich wehrte und wieder auf den Jungen losgehen wollte.
»Was denkt ihr euch eigentlich?« sagte Deegie streng. »Wie könnt ihr euch nur so schändlich benehmen? Sich schlagen und sich prügeln, und dann noch ein Bruder eine Schwester! Nun, jedenfalls kommt ihr beiden jetzt mit mir. Darum werden wir uns jetzt gleich kümmern!« sagte sie und zog den heftig sich sträubenden Jungen am Arm hinter sich her. Ayla folgte ihr mit dem Mädchen, das jetzt von ihr fortstrebte und sich weiterhin wehrte.
Die Leute starrten sie an, als sie vorübergingen und die blutbespritzten Kinder hinter sich herzerrten. Dann schlossen die Leute sich ihnen an. Als Deegie und Ayla die Kinder endlich zu den Hütten im Mittelpunkt des Lagers gebracht hatten, war ihnen die Nachricht vorausgeeilt, und eine Gruppe von Frauen erwartete sie bereits. Unter den Wartenden befanden sich, wie Ayla bemerkte, Tulie und Marlie und Brecie – alles Anführerinnen, wie ihr jetzt aufging, die den Rat der Schwestern bildeten.
»Sie hat angefangen …«, rief der Junge.
»Er hat es mir weggenommen, mein …«, schrie das Mädchen.
»Ruhe!« sagte Tulie fest und laut, und ihre Augen blitzten vor Zorn.
»Es gibt keine Entschuldigung dafür, einen anderen Menschen zu prügeln und zu schlagen«, sagte Marlie, nicht minder hart und erzürnt als Tulie. »Ihr seid beide alt genug, um das zu wissen, und wenn ihr es nicht wißt, dann erfahrt ihr es jetzt. Bringt die Lederriemen«, befahl sie.
Ein junger Mann verschwand in einer der Hütten, und gleich darauf kam Valez mit einer Reihe von Lederriemen heraus. Das Mädchen machte ein entsetztes Gesicht, und die Augen des Jungen wurden groß. Er versuchte zu entkommen und wollte schon fortlaufen, doch Talut, der gerade vom Rohrkolben-Lager herüberkam, schoß vor und brachte ihn zurück.
Ayla war besorgt. Beiden Kindern mußten die Verletzungen verbunden werden; doch mehr als das – was hatten sie mit ihnen vor? Schließlich waren beide noch Kinder.
Während Talut den Jungen festhielt, nahm ein anderer Mann einen der langen Lederriemen und wickelte diesen dergestalt um ihn herum, daß ihm der rechte Arm an den Leib gebunden wurde. Die Verschnürung war nicht so fest, daß sie die Blutzirkulation behindert hätte, aber sie sorgte dafür, daß der Arm nicht gebraucht werden konnte. Dann stellte jemand das Mädchen neben ihn, und es weinte, als auch ihm der rechte Arm festgebunden wurde.
»Aber … er hat mir mein …«
»Es spielt keine Rolle, was er weggenommen hat«, sagte Tulie.
»Es gibt andere Möglichkeiten, es zurückzubekommen«, sagte Brecie.
»Du hättest dich an den Rat der Schwestern wenden können. Dafür ist der Rat da.«
»Was, meinst du, würde geschehen, wenn jeder jeden schlüge, bloß weil jemand anderer Meinung ist, oder jemand aufgezogen oder ihm was weggenommen hat?« ließ eine andere Frau sich vernehmen.
»Ihr müßt beide lernen«, sagte Marlie, während das linke Fußgelenk des Jungen an das rechte Fußgelenk des Mädchens gebunden wurde, »daß es keine engeren Bande gibt als die zwischen Bruder und Schwester. Es ist das Band der Geburt. Und damit ihr das nicht wieder vergeßt, werdet ihr zwei Tage lang aneinandergefesselt bleiben, und die Hand, die ihr gegeneinander erhoben habt, an den Leib gebunden, damit sie nicht im Zorn erhoben werden kann. Ihr seid jetzt darauf angewiesen, euch gegenseitig zu helfen. Der eine kann nicht dorthin gehen, wo der andere nicht hingehen kann. Der eine kann nicht schlafen, es sei denn, auch der andere legte sich hin. Der eine kann weder essen, noch trinken, noch sich waschen oder irgend welche persönlichen Verrichtungen ohne den anderen tun. Ihr werdet lernen müssen, aufeinander angewiesen zu sein, genauso wie ihr das euer Leben lang sein werdet.«
»Und alle, die euch sehen, werden wissen, wie schändlich ihr euch benommen habt«, verkündete Talut laut, so daß alle es hörten.
»Deegie«, sagte Ayla leise, »sie brauchen Hilfe, das Mädchen hat immer noch Nasenbluten, und die Lippe des Jungen ist dick
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