Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
Hand, umwickelte sie mit einer dicken Scheibe gebratenen Fleisches und eilte auf die anderen Jäger zu.
»Ich dachte schon, du wachst nie mehr auf«, sagte Talut, als er sie näherkommen sah.
»Warum habt ihr mich nicht geweckt?« fragte Ayla und steckte den letzten Happen in den Mund.
»Es ist nicht klug, jemand, der so tief schläft, zu wecken, es sei denn, es wäre unbedingt nötig«, entgegnete Talut.
»Der Geist braucht Zeit für seine Nachtreisen, damit er erfrischt zurückkehren kann«, fügte Vincavec hinzu und trat auf sie zu, um sie zu begrüßen. Er tat so, als wolle er ihre beiden Hände ergreifen, doch wich sie den seinen aus, streifte rasch mit ihrer Wange die seine und wandte sich der Betrachtung des Eises zu.
Die mächtigen Eistrümmer waren offensichtlich einst mit großer Gewalt heruntergestürzt und hatten sich tief in die Erde eingegraben. Der Boden um sie herum war hochgedrückt. Auch daß die Brocken bereits seit etlichen Jahren hier lagen, wurde bald deutlich. Eine Schicht vom Wind heraufgetragenen groben Sands hatte sich oben auf ihnen angesammelt: an den Seiten des Eisblocks war der steinige Boden fein zermahlen worden; grober und feiner Sand bildete eine dicke dunkelgraue Erdschicht; dazwischen waren an manchen Stellen weiße Lagen zusammengepreßten Schnees zu erkennen. Auf der Eisoberfläche selbst hatten sich im Laufe der Jahre durch den ständigen Wechsel von Schmelzen und Gefrieren ungleichmäßige Krater und Risse gebildet, und auf dem Eis selbst hatten sogar ein paar unverwüstliche Pflanzen Wurzeln geschlagen.
»Komm hier herauf, Ayla!« rief Ranec. Sie blickte hinauf und sah ihn in leicht schräger Haltung hoch oben auf einem Eisblock stehen. Verwundert bemerkte sie, daß Jondalar neben ihm stand. »Es geht ganz leicht, wenn du an der Seite heraufkommst.«
Ayla ging um die kunterbunt durcheinanderliegenden Eisblöcke herum und kletterte eine Reihe von Trümmern und Platten hinauf. Der rauhe Sand, der sich in das Eis eingefressen hatte, rauhte die für gewöhnlich glatte Oberfläche auf, so daß der Fuß ziemlich sicheren Halt darauf fand. Sah man sich ein wenig vor, war es leicht hinaufzuklettern und sich darauf zu bewegen. Als sie die höchste Stelle erreichte, richtete Ayla sich auf – und schloß die Augen. Der böig auffrischende Wind warf sich auf sie, so als wolle er ihre Entschlossenheit, ihm zu widerstehen, auf die Probe steilen; die Stimme der mächtigen Eiswand in der Nähe grollte, knarrte und ächzte. Sie richtete den Blick auf das leuchtende Licht oben, das sie sah, selbst wenn sie die Augen geschlossen hielt, und spürte mit ihrer Gesichtshaut den kosmischen Kampf zwischen der Hitze des himmlischen Feuerballs und der Kälte der kompakten Eiswand.
Dann machte sie die Augen auf. Eis beherrschte das Bild, füllte ihren Blick. Die gewaltige, majestätische, ungeheure Ausdehnung des Eises türmte sich bis zum Himmel und bedeckte das Land, soweit das Auge reichte, von einer Seite bis zur anderen. Berge waren unbedeutend dagegen. Der Anblick erfüllte Ayla mit Frohlocken und Ehrfurcht; gleichzeitig kam sie sich ganz klein vor. Ihr Lächeln rief auf den Gesichtern von Ranec und Jondalar gleichsam ein Antwortlächeln hervor.
»Es ist nicht das erste Mal, daß ich es sehe«, erklärte Ranec, »aber ich könnte es mir so viele Male ansehen, wie Sterne am Himmel sind, ohne daß ich dessen leid würde.« Sowohl Ayla als auch Jondalar nickten zustimmend.
»Es kann aber auch gefährlich werden«, fügte Jondalar hinzu.
»Wie ist denn dies Eis hierhergekommen?« fragte Ayla.
»Das Eis bewegt sich«, sagte Ranec. »Manchmal dehnt es sich aus, manchmal schrumpft es und wird kleiner. Das hier, auf dem wir stehen, ist abgeplatzt, als die Wand hier stand. Damals allerdings war der Haufen wesentlich größer als heute. Er ist genauso geschrumpft wie die Wand selbst.« Ranec faßte den Gletscher ins Auge. »Ich glaube, letztesmal war sie weiter weg. Möglich, daß das Eis wieder im Wachsen begriffen ist.«
Ayla ließ den Blick über das unendliche Land dahinschweifen; um wieviel weiter sie von dieser Höhe aus sehen konnte! »Ach, seht!« rief sie und zeigte gen Südosten. »Mammuts! Ich sehe eine Mammutherde.«
»Wo?« fragte Ranec, plötzlich hellwach.
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich das erregende Wort unter den Jägern. Sobald Talut das Wort ›Mammuts‹ gehört hatte, war er um die Eisbrocken herum und schon bis zur Hälfte hinaufgeklettert. Mit wenigen Schritten war er dann oben
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