Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
›heikel‹ ist das Wort, das du brauchst«, sagte Deegie.
»Heikel … wenn es darum geht, Gefühle zu zeigen. Eine Mutter könnte zu einem Kind sagen: ›Du machst mich glücklich‹«, erwiderte Ayla und führte Deegie die entsprechende Gebärde vor, »aber eine Frau würde nie so offen … nein … deutlich?« Sie stellte die Wahl ihres zweiten Wortes in Frage und wartete auf Deegies zustimmendes Nicken, ehe sie fortfuhr:
»Nicht so deutlich ihre Gefühle für einen Mann ausdrücken.«
Deegie fand das fesselnd. »Was würde sie dann tun? Ich hatte Branag zu verstehen geben müssen, welche Gefühle ich ihm entgegenbrachte, als ich bemerkte, daß er mich bei den Sommer-Treffen nicht aus den Augen ließ – genausowenig wie ich ihn. Wenn ich es ihm nicht hätte sagen können – ich weiß nicht, was ich dann getan hätte.«
»Eine Clanfrau sagt nicht – sie gibt zu verstehen. Frau tut Dinge für Mann, den sie liebt, kocht Essen, das er besonders gern mag, brüht morgens seinen Lieblingstee auf, damit dieser fertig, wenn er aufwacht. Macht Kleidung auf besondere Art – Innenseite von Fellüberwurf besonders weich, oder warme Füßlinge mit Fell innen. Noch besser, wenn Frau erkennt, was er will, ehe er darum bittet. Beweist, daß sie ihn genau beobachtet, um seine Gewohnheiten und Stimmungen kennenlernen, ihn kennt, sich was aus ihm macht.«
Deegie nickte. »Das ist eine gute Möglichkeit, jemand zu sagen, daß man ihn liebt. Es ist schön, Besonderes füreinander zu tun. Aber woran erkennt eine Frau, daß er sie liebt? Was tut ein Mann für eine Frau?«
»Einmal begab Goov sich in Gefahr, um Schneeleoparden zu töten, der Ovra ängstigte, weil zu nahe um Höhle herumschleichen. Sie wußte, er es für sie getan, obwohl er Fell Creb schenkte und Iza daraus Pelzüberwurf für mich machte«, erklärte Ayla.
»Das ist sehr umständlich und verblümt zum Ausdruck gebracht. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das verstanden hätte.« Deegie lachte. »Woher weißt du, daß er es für sie getan hat?«
»Ovra mir später erzählt. Ich damals nicht wissen. Ich jung. Noch lernen. Clan-Sprache besteht nicht nur aus Handzeichen. Viel mehr sagen mit Gesicht, Augen und Körper. Art zu gehen, Kopf zu drehen, Schultern zu straffen, wenn du weißt, was das bedeutet, sagt mehr als Worte. Hat sehr lange gedauert, Sprache von Clan zu erlernen.«
»Das überrascht mich, wo du doch so schnell Mamutoi gelernt hast! Man merkt es doch. Du wirst von Tag zu Tag besser. Ich wünschte, ich wäre so sprachbegabt wie du.«
»Ich immer noch nicht richtig. Fehlen viele Wörter; aber ich denke, ich sprechen Wörter in Art von Clan. Ich Wort hören und Gesicht beobachten, fühlen, wie Wort klingt und zusammen mit anderen, und sehen, wie Körper sich bewegt … und versuche zu behalten. Auch wenn ich Rydag und anderen Handzeichen beibringe, lerne ich. Ich lerne eure Sprache.
Muß lernen, Deegie«, fügte Ayla mit einer Inbrunst hinzu, die bewies, wie ernst es ihr damit war.
»Für dich ist es nicht nur ein Spiel, nicht wahr? Wie das die Handzeichen für uns sind. Ist doch lustig, daß wir zum Sommer-Treffen gehen und uns dort untereinander verständigen können, ohne daß irgend jemand sonst es merkt.«
»Ich glücklich, daß alle Spaß und mehr lernen wollen. Glücklich um Rydags willen. Rydag jetzt auch Spaß; aber für ihn ist kein Spiel.«
»Nein, das ist es wohl nicht.« Sie griffen wieder nach dem wassergefüllten Magen, doch dann hielt Deegie inne und sah Ayla an. »Zu Anfang habe ich nicht begreifen können, warum Nezzie ihn behalten wollte. Aber dann habe ich mich an ihn gewöhnt und ihn auch liebgewonnen. Jetzt ist er einfach einer von uns, und er würde mir fehlen, wenn er nicht hier wäre; aber bisher ist es mir nie in den Sinn gekommen, daß er den Wunsch haben könnte zu sprechen. Ich habe einfach nie darüber nachgedacht.«
Jondalar stand am Eingang der Erdhütte und sah die beiden ins Gespräch vertieften Frauen näher kommen. Er freute sich, daß Ayla so gut mit den anderen auskam. Als er darüber nachdachte, kam es ihm erstaunlich vor, daß sie von all den Gruppen, denen sie hätten begegnen können, ausgerechnet die eine Gruppe gefunden hatten, in deren Mitte ein Kind von gemischten Geistern lebte und die aus diesem Grund vermutlich eher als andere bereit war, Ayla zu akzeptieren. Mit einem allerdings hatte er recht behalten. Ayla zögerte nicht, jedem zu erzählen, woher sie kam.
Nun, zumindest hat sie ihnen nicht von ihrem Sohn
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