Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
Jondalar mit ihren Speer-schleudern einem Rudel fremder Wölfe auf der anderen Seite eines offenen Wasserlaufs gegenüber, und im nächsten Moment waren die Tiere verschwunden. Ayla und Jondalar starrten mit wurfbereiten Waffen auf eine harmlose Masse aus Schilf und Rohrkolben und kamen sich ein wenig albern vor.
Eine kühle Brise, die auf ihrer nackten Haut eine Gänsehaut erscheinen ließ, brachte ihnen zum Bewußtsein, daß die Sonne hinter den Bergen im Westen untergegangen war und die Nacht hereinbrach. Sie legten ihre Waffen beiseite, zogen sich schnell an, entzündeten ein Feuer und richteten ihr Lager ein, aber ihre Stimmung war gedämpft. Ayla ertappte sich dabei, daß sie immer wieder nach den Pferden Ausschau hielt, und sie war froh, daß die Tiere sich entschieden hatten, auf dem grünen Feld zu grasen, auf dem sie ihr Lager aufgeschlagen hatten.
Als Dunkelheit das goldene Leuchten des Feuers umgab, waren die beiden Menschen ungewöhnlich schweigsam; sie lauschten den Geräuschen des Deltas, die die Nacht erfüllten. Kreischende Nachtreiher ließen sich bei Anbruch der Dunkelheit hören, dann setzte das Zirpen der Grillen ein. Eine Eule stieß eine Reihe düsterer Schreie aus. Ayla hörte in den Bäumen ganz in ihrer Nähe etwas herumschnüffeln, wahrscheinlich ein Wildschwein. Sie fuhr zusammen, als sie aus größerer Entfernung das schrille Gelächter einer Höhlenhyäne hörte, und dann, näher, das wütende Gekreische einer Großkatze, die ihre Beute verfehlt hatte. Sie fragte sich, ob es ein Luchs gewesen war oder vielleicht ein Schneeleopard, und wartete ständig darauf, das Geheul von Wölfen zu hören, aber es blieb aus.
Als samtige Dunkelheit jeden Schatten und jeden Umriß erfüllte, wurde eine Begleitmusik zu den anderen Geräuschen immer lauter und füllte die Pausen zwischen ihnen. Von jedem Kanal und jedem Flußufer, jedem See und jeder mit Seerosen überwachsenen Lagune lieferten Frösche ihrem unsichtbaren Publikum ein Konzert. Die tiefen Bässe der Ried- und Wasserfrösche gaben den Ton an; Rotbauchunken ergänzten ihn mit einer glockenähnlichen Melodie. Den Kontrapunkt lieferte das Getriller der Wechselkröten, in das sich das leise Summen der Krötenfrösche mischte, und für die Kadenz sorgte das scharfe Quaken der Laubfrösche.
Als Ayla und Jondalar in ihre Schlaffelle krochen, war das Froschkonzert so weit verstummt, daß es nur noch den Hintergrund für die vertrauteren Geräusche lieferte, aber als das Wolfsgeheul, mit dem sie die ganze Zeit gerechnet hatte, tatsächlich aus weiter Feme ertönte, überlief es Ayla abermals. Wolf setzte sich auf und beantwortete ihren Ruf.
Während Ayla in Jondalars Armen lag, fragte sie sich, was seine Leute von ihr halten würden. Ihm fiel auf, daß sie still und nachdenklich war. Er küßte sie, aber sie schien längst nicht so stark darauf zu reagieren wie gewöhnlich. Vielleicht war sie müde - es war ein langer Tag gewesen. Auch er war müde. Er schlief ein, während er dem Froschkonzert lauschte, wachte aber wieder auf, als Ayla in seinen Armen aufschrie und wild um sich schlug.
"Ayla! Ayla! Wach auf! Es ist ja alles in Ordnung."
"Jondalar, o Jondalar", weinte Ayla und klammerte sich an ihn. "Ich habe geträumt - vom Clan. Creb versuchte mir etwas Wichtiges mitzuteilen, aber wir befanden uns tief in einer Höhle, und es war dunkel. Ich konnte nicht sehen, was er sagte."
"Wahrscheinlich hast du heute an ihn gedacht. Du hast von den Clan-Leuten gesprochen, als wir auf dieser großen Insel waren und auf die See hinausschauten. Ich hatte den Eindruck, daß du traurig warst. Hast du daran gedacht, daß du sie zurückläßt?"
Sie schloß die Augen und nickte, nicht sicher, ob es ihr gelingen würde, Worte ohne Tränen hervorzubringen, und es widerstrebte ihr, ihre Besorgnis hinsichtlich seiner Leute zu erwähnen, ob sie nicht nur sie akzeptieren würden, sondern auch die Pferde und Wolf. Der Clan und ihr Sohn waren für immer verloren, aber sie wollte nicht auch noch ihre Tierfamilie verlieren, sofern es gelang, zusammen mit ihnen seine Heimat zu erreichen. Sie hätte zu gern gewußt, was Creb ihr in ihrem Traum hatte sagen wollen.
Jondalar hielt sie in den Armen, tröstete sie mit seiner Wärme und Liebe, verstand ihren Kummer, wußte jedoch nicht, was er sagen sollte. Seine Nähe genügte.
12. KAPITEL
Der nördliche Arm des Großen Mutter Flusses mit seinem ausgedehnten Netzwerk von Kanälen bildete die vielfach gewundene
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