Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
Jondalar.
»Als du dem Löwenlager der Mamutoi beigebracht hast, auf
Clanart mit Zeichen zu >sprechen<, damit sich Rydag mitteilen konnte, machten alle, insbesondere die Jüngeren, ein
Spiel daraus und hatten Spaß an der Zeichensprache. Aber
beim Sommertreffen wurde es ernster, als so viele Menschen um uns waren und wir jemandem vom Löwenlager
insgeheim etwas mitteilen wollten. Eine Situation ist mir
besonders im Gedächtnis geblieben, als Talut das Lö
wenlager bat, erst später etwas anzusprechen, weil einige
Leute zugegen waren, die es noch nicht erfahren sollten.
Worum es dabei ging, weiß ich nicht mehr.«
»Wenn ich dich recht verstehe, könntest du also etwas
laut aussprechen und gleichzeitig mit diesen Handzeichen
etwas anderes sagen oder eine vertrauliche Botschaft übermitteln.« Die Erste war stehen geblieben, und ihr Stirnrunzeln deutete darauf hin, dass sie über etwas nachdachte,
was ihr wichtig erschien.
»Ja, genau«, erwiderte Ayla.
»Ist es sehr schwierig, diese Zeichensprache zu lernen?« »Schon, wenn man sie vollkommen beherrschen wollte,
mit all ihren Bedeutungsvarianten«, antwortete Ayla. »Aber ich habe dem Löwenlager eine vereinfachte Version beigeb
racht, wie Kinder sie lernen.«
»Das reichte aber, um sich auszutauschen«, ergänzte
Jondalar. »Man konnte Gespräche führen ... na ja, nicht
unbedingt über die Feinheiten einiger Gesichtspunkte.« »Vielleicht könntest du der Zelandonia diese vereinfachte
Zeichensprache beibringen«, schlug die Erste vor. »Ich
kann mir vorstellen, dass sie recht nützlich sein könnte, um
Informationen weiterzugeben oder etwas klarzustellen.« »Oder falls man jemandem vom Clan begegnet und etwas
sagen möchte«, warf Jondalar ein. »Mir hat es geholfen, als
wir vor der Überquerung des kleinen Gletschers auf Guban
und Yorga stießen.«
»Ja, das auch«, stimmte Zelandoni zu. »Vielleicht könnten wir nächstes Jahr beim Sommertreffen ein paar Zusammenkünfte ansetzen, bei denen Ayla uns die Zeichen lehrt.
Der Neunten Höhle könntest du es natürlich schon während der kalten Jahreszeit beibringen.« Sie hielt erneut inne. »Du hast allerdings Recht, im Dunkeln funktioniert es
nicht. Demnach gehen sie überhaupt nicht in Höhlen?« »Sie gehen schon hinein, nur nicht sehr weit. Und wenn,
dann sorgen sie dafür, dass der Weg gut beleuchtet ist. Ich
glaube nicht, dass sie so tief in eine Höhle vordringen würden. Höchstens allein oder aus besonderem Anlass. Die
Mog-urs sind manchmal in tiefere Höhlen gegangen.« Ayla
erinnerte sich lebhaft an das Innere einer Höhle beim ClanMiething, in der sie Licht gesehen und die Mog-urs gefunden hatte.
Sie gingen weiter, alle in Gedanken versunken. Nach einer
Weile begann Zelandoni wieder zu singen. Als sie eine Strecke zurückgelegt hatten, die nicht ganz so weit war wie bis
zu den ersten Wandzeichnungen, hallte Zelandonis Stimme
stärker von den Höhlenwänden wider, und Wolf heulte erneut. Die Erste blieb stehen und wandte sich diesmal der
rechten Höhlenwand zu. Wieder erkannten Ayla und Jondalar zwei Mammuts, nicht gemalt, sondern eingeritzt, dazu ein Wisent und etwas, das wie seltsame Punkte aussah,
gemacht mit Fingern, die in weichen Ton oder Ähnliches
gedrückt worden waren.
»Ich wusste schon immer, dass er ein Zelandoni ist«, sagte die Erste.
»Wer?«, fragte Jondalar, obwohl er es sich fast denken
konnte.
»Wolf natürlich. Warum glaubst du wohl, dass er >singt<,
wenn wir zu Stellen kommen, an denen die Welt der Geister
nahe ist?«
»Die Welt der Geister ist nahe, hier an dieser Stelle?«
Jondalar schaute sich besorgt um.
»Ja, hier sind wir der Geheimen Unterwelt der Mutter
sehr nahe«, erwiderte die spirituelle Anführerin der Zelandonii.
»Wirst du deshalb manchmal die Stimme von Doni genannt? Weil du diese Orte finden kannst, wenn du singst?«,
fragte Jondalar.
»Das ist einer der Gründe. Es bedeutet auch, dass ich
manchmal für die Große Mutter spreche, wenn ich die Stellvertreterin der Ursprünglichen Vorfahrin bin, der Ursprünglichen Mutter, oder wenn ich das Instrument Derer
bin, Die Gesegnet Ist. Eine Zelandoni, vor allem Eine, Die
Die Erste Ist, hat viele Namen. Daher gibt sie normalerweise ihren persönlichen Namen auf, sobald sie der Mutter
dient.«
Ayla hörte aufmerksam zu. Sie wollte ihren Namen nicht
gerne aufgeben. Er war das Einzige, was ihr von ihrer eigenen Sippe geblieben war, der Name, den ihre Mutter ihr
gegeben hatte, wenngleich sie vermutete, dass »Ayla« nicht
ganz
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