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Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen

Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen

Titel: Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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ablud, um die Steinzapfen über ihnen und die
runden Steinstümpfe darunter zu bilden. Sie hörte leises,
schwaches Tropfen, sowohl in ihrer Nähe als auch weiter
entfernt. Nach unermesslicher Zeit vereinten sich die Zapfen und Stümpfe zu Säulen, Wänden und Vorhängen, die
das Innere der Höhle formten.
Winzige Krabbeltiere machten Geräusche, die Luft bewegte sich kaum wahrnehmbar, und wenn man sich anstrengte, war ein gedämpftes Rauschen zu hören. Fast wurde es vom lauten Atem der fünf lebenden Wesen übertönt, die diesen stillen Ort betreten hatten. Ayla versuchte, den Geruch der Luft aufzunehmen, und öffnete den Mund, um sie zu schmecken. Sie fühlte sich feucht an, mit dem leicht modrigen Geschmack von Erde und uralten Muscheln, die
sich zu Kalkstein verdichtet hatten.
Nach ihrer Mahlzeit sagte Zelandoni: »Da ist etwas, das
ich euch in diesem kleinen Tunnel zeigen möchte. Wir können das Gepäck hierlassen und es auf dem Rückweg holen,
aber jeder von uns sollte eine Lampe mitnehmen.« Zunächst suchten sie sich alle eine abgeschiedene Ecke, in
der sie Wasser lassen und sich erleichtern konnten. Ayla
hielt das Kind ab, damit es auch sein großes Geschäft erledigte, und säuberte es mit weichem, frischem Moos, das
sie mitgebracht hatte. Dann setzte sie Jonayla in der Tragedecke auf ihre Hüfte, hob eine der Steinlampen hoch und
folgte Zelandoni in den Durchgang, der nach links führte.
Wieder begann die Frau zu singen. Allmählich gewöhnten
sich Ayla und Jondalar an die widerhallende Klangfarbe des
Tons, die sie darauf hinwies, dass sie sich direkt an einer
heiligen Stätte befanden, einer Stelle, die der Anderen Welt
näher war.
Als Zelandoni stehen blieb, schaute sie zur rechten Wand.
Sie folgten ihrem Blick und entdeckten zwei weitere Mammuts, die einander ansahen. Ayla fand sie besonders bemerkenswert und fragte sich, was all die verschiedenen
Platzierungen der Mammuts in dieser Höhle wohl zu bedeuten hatten. Da sie vor so langer Zeit entstanden waren,
dass niemand ahnte, wer sie erschaffen hatte, oder auch
nur die Höhle oder das Volk kannte, zu dem die Künstler
gehörten, war es unwahrscheinlich, dass jemand etwas wusste. Dennoch konnte sie nicht widerstehen, danach zu
fragen.
»Weißt du, warum diese Mammuts sich anschauen, Zelandoni?«
»Manche glauben, dass sie gegeneinander kämpfen«, erwiderte die Frau. »Was meinst du?«
»Das glaube ich nicht«, antwortete Ayla. »Warum nicht?« »Sie sehen weder grimmig noch wütend aus. Sie scheinen
ein Treffen abzuhalten«, gab Ayla zurück.
»Und was meinst du, Jondalar?«, fragte Zelandoni. »Ich glaube auch nicht, dass sie miteinander kämpfen.
Vielleicht sind sie sich nur zufällig begegnet.«
»Meinst du, derjenige, der sie geschaffen hat, hätte sich
die Mühe gemacht, wenn sie sich nur zufällig begegnet wä
ren?«, fragte Zelandoni. »Vermutlich nicht.«
»Vielleicht stellt jedes Mammut den Anführer einer
Gruppe von Leuten dar, die zusammenkommen, um Entscheidungen über etwas Wichtiges zu treffen«, sagte Ayla.
»Oder sie haben die Entscheidung schon getroffen, und
hiermit soll daran erinnert werden.«
»Das ist eine der interessantesten Deutungen, die ich gehört habe«, meinte Zelandoni.
Sie warteten schweigend, bis Ayla plötzlich den Drang
verspürte, die Wand zwischen den Mammuts zu berühren.
Sie streckte die rechte Hand aus, legte sie mit der Handflä
che an den Stein und schloss dann die Augen. Sie spürte die
Härte des Felsens, die eher feuchte Kälte des Kalksteins.
Und dann meinte sie, noch etwas anderes zu fühlen, so etwas wie Eindringlichkeit, Konzentration, Hitze, vielleicht
war es ihre eigene Körperwärme, die den Stein erwärmte.
Sie ließ die Hand sinken, schaute sie an und verschob ihr
Kind an eine andere Stelle.
Sie gingen zum Hauptgang zurück und weiter nach Norden, wobei sie die Lampen anstelle der Fackeln als Lichtquelle benutzten. Zelandoni setzte weiterhin ihre Stimme ein, manchmal summend, dann wieder im Singsang, und blieb stehen, wenn sie ihnen etwas zeigen wollte. Ayla war besonders angetan von dem Mammut, bei dem das herabhängende Fell durch Striche angedeutet war, das aber auch Markierungen aufwies, vielleicht von Bärenklauen, die es zerkratzt hatten. Die Nashörner faszinierten sie. Als sie zu einer Stelle kam, an der das Singen stärker widerhallte,
blieb Zelandoni erneut stehen.
»Hier müssen wir uns entscheiden, in welche Richtung
wir gehen wollen«, sagte sie. »Ich glaube, wir sollten

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