Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
Sohn an der bergigen Brust, Hoch stoben die Funken vor Saugens Lust.
Sein Leben beginnt. Sie nährt ihr Kind.
Er lacht und spielt mit strahlenden Blicken, Erhellt das Dunkel zu der Mutter Entzücken. Im Schutz ihrer Liebe wird er stark und klug, Doch der Kindheit Ort ist ihm nicht genug.
Ihr Sohn wächst heran. Zum verwegenen Mann.
Zwischen Der, Die Die Erste Ist, und dem Widerhall der Höhle entwickelte sich ein Wechselgesang, bei dem die runden Formen und scharfen Kanten der Steine eine leichte Verzögerung und veränderte Töne verursachten, die sich in den Ohren der Zuhörer zu einer seltsam schönen Klangharmonie vereinten.
In der volltönenden Stimme, die den Raum erfüllte, lag für Ayla etwas Tröstliches. Sie hörte nicht jedes Wort, jeden Ton, manche Strophen machten sie nur noch nachdenklicher, doch sie hatte das sichere Gefühl, wenn sie sich je verirrte, würde sie die Stimme von überall hören. Sie betrachtete Jonayla, die ebenfalls aufmerksam lauschte. Jondalar und Wolf wirkten genauso gebannt von dem Klang wie sie.
Der Kampf ist grimmig und wogt hin und her, Der schimmernde Freund setzt sich tapfer zur Wehr. Das Dunkel stiehlt ihm sein bleiches Licht, Das Auge versagt ihm, den Sohn sieht er nicht.
Er hat tapfer gerungen. Und ist doch bezwungen.
Als Dunkel sich ausdehnt, die Mutter erwacht, Sieht nichts als das finstere Rund der Nacht. Sie eilt zu dem schimmernden Freunde hin, Treibt die finsteren Schatten hinweg von ihm.
Doch aus dem Auge schon. Hat er verloren den Sohn.
Die entkräftete Mutter gibt den Kampf nicht verloren, Greift aufs Neue nach dem, den sie geboren. Sie hält ihn fest und verlässt ihn nicht,
Kämpft mit aller Kraft, zu retten sein Licht. Sie lässt ihn nicht gehen.
Will sein Licht leuchten sehn.
Wenn die Mutter erstarkt und das Dunkel weicht, Wird von seinem wärmenden Licht sie erreicht. Wenn das Chaos obsiegt, weil sie müde sinkt nieder, Kehrt am Ende des Tages die Schwärze wieder.
Die Rettung ist gelungen. Doch der Feind nie bezwungen.
Und weil die Mutter trauert und schmerzvoll erkennt, Dass sie und ihr Sohn sind für immer getrennt Und keiner ihn je zurück zu ihr bringt,
Weckt sie in sich die Kraft, aus der Leben entspringt.
Sie hat nicht verwunden. Dass der Sohn ist entschwunden.
An dieser Stelle musste Ayla immer weinen. Sie wusste, wie es war, einen Sohn zu verlieren, und fühlte sich eins mit der Großen Mutter. Wie Doni, hatte auch sie einen Sohn, der noch lebte, von dem sie aber für immer getrennt sein würde. Sie drücke Jonayla an sich, war dankbar für dieses neue Kind. Doch ihr Erstgeborener würde ihr immer fehlen.
Mit donnerndem Brausen zerbersten die Steine, Und aus der Höhlung der tiefsten Gebeine Hat sie noch einmal aus der Fülle der Macht
Die Erdenkinder hervorgebracht.
Aus der Mutter Qual wächst der Kinder Zahl. Ein jedes ist anders, und doch voller Leben, Sie laufen und kriechen, schwimmen und schweben. Ihr Geist ist vollendet, die Form vollkommen Und wird als Urform von nun angenommen.
Nach der Mutter Willen wird die Erde sich füllen.
Die Großen und Kleinen, jedwedes Getier Mehren der Mutter Freude und bleiben bei ihr. Durchstreifen allein oder mit ihrer Herde Die weiten Gefilde der Urmutter Erde.
Es flieht kein Tier. Sie bleiben bei ihr.
Ayla schaute sich um und fing Jondalars Blick auf. Das hier war gewiss eine heilige Stätte. Sie waren noch nie in einer so großen Höhle gewesen und verstanden plötzlich die Bedeutung der heiligen Ursprungsgeschichte besser. Es mochte noch andere geben, aber das hier war mit Sicherheit einer der Orte, an dem Doni die Erdenkinder hervorgebracht hatte.
Beide hatten sie das Gefühl, sich im Schoß der Erde zu befinden.
Voller Stolz blickt sie auf die Kinderschar,
Doch die Lebenskraft schwindet, sie sieht die Gefahr. Nur eins noch bleibt: das Kind zu gebären, Das die Schöpfung erinnert und lernt, sie zu ehren.
Ein Kind, das ehrt und zu schützen begehrt.
Lebendig und stark wird die Frau geboren Und zur Hüterin des Lebens erkoren. Sie erhält die Gaben, und gleich Mutter Erd' Erkennt sie erwachend des Lebens Wert.
Die Erste der Art. Die das Leben bewahrt.
Es folgen Begreifen und Unterscheiden, Das Bestreben zu lernen, Gefahr zu vermeiden, Das innere Wissen, das sie braucht, um zu leben, Und um dieses Leben weiterzugeben.
Sie wird entfalten, was sie erhalten.
Die Mutter fühlt die Schöpfungskraft vergehen, Doch der Geist des Lebens wird fortbestehen, Aus ihren Kindern wird neues Leben
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