Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
und wieder heraus, und Ayla hatte plötzlich das Gefühl, dass Gefahr drohte, obwohl sie nicht sagen konnte, warum. Gerade als sie Jondalar drängen wollte, endlich aufzubrechen, wurden ihnen in Rohleder verpackte Esspakete gebracht.
Das Paar bedankte sich bei allen, steckte die Pakete in Winnies Packkörbe, stieg dann mit Hilfe einiger Felsbrocken auf die Pferde und ritt aus dem Tal.
Sobald sie offenes Gelände erreichten, ließen sie den Pferden freien Lauf. Das war erfrischend und dämpfte Aylas Nervosität, beseitigte sie jedoch nicht. Schließlich ermüdeten die Pferde und wurden langsamer. Jondalar entdeckte in der Ferne eine Baumgruppe und lenkte Renner in diese Richtung. Ayla sah, wohin er wollte, und folgte ihm. Das Fohlen, das bereits so schnell laufen konnte wie die Stute, kam hinterher. Junge Pferde lernten früh, schnell zu laufen. Das war nötig, um zu überleben. Der Wolf rannte neben ihnen her, auch er hatte Freude an der Bewegung.
Als sie sich den Bäumen näherten, erblickten sie einen kleinen, offenbar von einer Quelle gespeisten Teich, der über die Ufer getreten war und in einer Rinne über die Wiese abfloss. Sie hielten auf den Teich zu, doch plötzlich blieb Winnie wie angewurzelt stehen, woraufhin Ayla beinahe hinuntergefallen wäre. Schützend schlang sie den Arm um das vor ihr sitzende Kind und rutschte rasch vom Rücken der Stute. Auch Jondalar hatte Schwierigkeiten mit Renner. Der Hengst bäumte sich auf, wieherte laut, der große Mann glitt über den Pferderücken hinab und trat rasch beiseite.
Im nächsten Moment vernahm Ayla ein lautes Grollen, das sie gleichzeitig spürte. Hektisch sah sie sich um. Das Wasser im Teich schoss wie eine Fontäne in die Höhe, als hätte jemand die Quelle zusammengedrückt und einen Wasserstrahl in die Luft geschleudert. Erst dann wurde Ayla klar, dass sich die Erde bewegte.
Ayla wusste, was es war, sie hatte schon einmal gespürt, wie sich der Boden unter ihren Füßen verschob, und Panik machte sich in ihr breit. Die Erde sollte sich nicht bewegen.
Mühsam hielt sie ihr Gleichgewicht, während sie wie versteinert ihr Kind umklammerte, zu ängstlich, auch nur einen Schritt zu tun.
Das kniehohe Gras des offenen Geländes führte einen eigenartigen zitternden Tanz auf, als sich die stöhnende Erde auf unnatürliche Weise zu einer lautlosen Musik im Innern bewegte. Die kleine Baumgruppe vor ihnen neben der Quelle verstärkte die Bewegung. Das Wasser wallte auf und fiel zurück, wirbelte über das Ufer, wühlte Erde aus dem Bett auf und spie Schlammklumpen aus. Ayla nahm den Geruch frischer Erde wahr, dann krachte plötzlich eine Fichte, neigte sich langsam zur Seite und zog dabei die Hälfte ihres Wurzelwerks aus dem Boden.
Das Beben schien gar nicht aufhören zu wollen. Es weckte Erinnerungen an andere Zeiten, an die Verluste, die Ayla infolge des rüttelnden, stöhnenden Bodens erlitten hatte. Ayla kniff die Augen fest zu, zitterte und schluchzte vor Angst. Jonayla begann zu weinen. Dann spürte Ayla eine Hand auf ihrer Schulter, Arme schlossen sich um sie und das Kind, die tröstend und besänftigend wirkten. Sie lehnte sich an die warme Brust des Mannes, den sie liebte, und die Kleine beruhigte sich. Allmählich ließ das Beben nach, und Ayla spürte, wie sich die Anspannung in ihr legte.
»Oh, Jondalar«, schluchzte sie. »Das war ein Erdbeben. Ich hasse Erdbeben!« Sie zitterte in seinen Armen. Sie hielt Erdbeben für etwas Böses, wollte das aber nicht laut aussprechen - Gedanken eine Stimme zu geben, konnte ihnen Macht verleihen. Wenn die Erde sich schüttelte, passierte offenbar immer etwas Schlimmes.
»Auch mir gefallen sie nicht besonders«, sagte er und drückte seine kleine Familie an sich. Ayla schaute sich um und bemerkte die schräg stehende Fichte neben der Quelle. Sie schauderte, als ihr eine Szene von vor langer Zeit einfiel.
»Was ist los?«, fragte Jondalar. »Der Baum da.«
Er folgte ihrem Blick und sah den Baum neben der Quelle, der sich zur Seite geneigt und seine Wurzeln bloßgelegt hatte.
»Ich weiß noch, dass ich viele Bäume gesehen habe, die so schief standen, und einige waren quer über einen Fluss gestürzt. Das muss passiert sein, als ich noch klein war ...«, sagte sie zögernd, »bevor ich beim Clan gelebt habe. Ich glaube, da habe ich meine Mutter, meine Familie und alles verloren. Iza sagte, ich hätte gut laufen und sprechen können, ich muss so um die fünf Jahre gezählt haben, als sie mich fand.«
Nachdem sie ihm von
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