Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
weniger zu kümmern, keine Flöße zu tragen, man musste weniger Nahrung suchen, brauchte zum Kochen nicht so viel Holz und anderen Brennstoff, weniger Wasserbeutel mussten gefüllt werden, und für den Aufbau eines Lagers war weniger Platz erforderlich, was den Reisenden die Wahl erleichterte, wo sie ihre Zelte aufschlagen wollten. Der kleine Fluss lieferte eine verlässliche Wasserquelle, und sie kamen auf dem Uferpfad schnell voran, obwohl es fast stetig bergan ging.
Die Menschen, die nahe der nächsten heiligen Stätte lebten, die Ayla besichtigen sollte, waren Abkömmlinge der Ersten Höhle des Südlandes. Die Erste deutete auf einen Abri, an dem sie vorbeikamen.
»Das ist der Eingang zu der ausgemalten Höhle, die du dir ansehen sollst«, sagte die Erste.
»Da es eine heilige Stätte ist, können wir nicht einfach hineingehen?«, fragte Ayla.
»Sie liegt auf dem Gebiet der Vierten Höhle der SüdlandZelandonii, und sie betrachten sie als ihr Eigen«, erwiderte die Erste. »Sie sind es auch, die für gewöhnlich neue Zeichnungen hinzufügen. Wenn Jonokol das Bedürfnis hätte, auf den Wänden zu malen, hätten sie wahrscheinlich nichts dagegen, aber es wäre besser, sie vorher über seinen Wunsch in Kenntnis zu setzen. Möglicherweise hat einer von ihnen die Absicht, etwas an die gleiche Stelle zu zeichnen. Das ist zwar unwahrscheinlich, aber wenn es so wäre, könnte es bedeuten, dass die Welt der Geister aus einem bestimmten Grund die Zelandonia zu erreichen versucht.«
Sie fuhr fort zu erläutern, dass es immer angemessen sei, das Gebiet, das eine Höhle als ihr Eigen betrachtet, zu respektieren. Privateigentum kannten die Zelandonii nicht. Auf die Idee, dass Land jemandem gehören könnte, kam niemand. Die Erde war die Verkörperung der Großen Mutter, die sie allen ihren Kindern zur Nutzung anheimgegeben hatte, doch die Bewohner einer Region betrachteten ihr Gebiet als ihr Zuhause. Anderen Menschen stand frei, überallhin zu reisen, durch jedes auch noch so entfernte Gebiet, solange sie Rücksicht nahmen und allgemein anerkannte Höflichkeiten beachteten.
Jeder konnte jagen oder fischen oder die benötigte Nahrung sammeln, doch es galt als höflich, der ansässigen Höhle seine Anwesenheit kundzutun. Das traf vor allem auf Nachbarn zu, aber auch auf alle, die vorbeikamen, damit sie eventuelle Pläne der Bewohner nicht durchkreuzten. Hatte ein ansässiger Späher zum Beispiel eine sich nähernde Herde beobachtet, und die Jäger planten eine große Jagd, konnte es zu Spannungen führen, wenn Reisende, die nur ein Tier jagten, die ganze Herde zerstreuten. Wenn sie sich stattdessen bei der Höhle meldeten, würde man sie wahrscheinlich einladen, an der Jagd teilzunehmen und ihren Anteil zu behalten.
Die meisten Höhlen hatten Späher, die immer Ausschau hielten, hauptsächlich nach wandernden Herden, doch auch nach allen ungewöhnlichen Vorkommnissen in ihrem Gebiet, und Menschen, die mit einem Wolf und drei Pferden reisten, waren auf jeden Fall etwas Außergewöhnliches. Noch dazu, wenn eins oder mehrere Pferde ein Beförderungsmittel zogen, auf dem eine korpulente Frau saß. Als die Besucher in Sichtweite der Vierten Höhle der SüdlandZelandonii kamen, wartete schon eine kleine Menschenansammlung auf sie. Nachdem die große Frau von der Schleiftrage gestiegen war, trat ein Mann mit Tätowierungen auf dem Gesicht vor und erklärte, er sei der Zelandoni und heiße sie und die anderen willkommen. Er hatte die Tätowierungen in ihrem Gesicht erkannt.
»Ich grüße Die Eine, Die Die Erste Ist Unter Denen, Die Der Großen Erdmutter Dienen«, sagte er und ging ihr mit ausgestreckten Händen entgegen. »Im Namen von Doni, Der Großen Und Gütigen Mutter, Die Für Uns Alle Sorgt, heiße ich euch willkommen.«
»Im Namen von Doni, Der Ursprünglichen Und Höchst Gütigen Mutter, grüße ich dich, Zelandoni der Vierten Höhle der Südland-Zelandonii«, erwiderte die Erste.
»Was führt dich so weit nach Süden?«, fragte er.
»Die Donier-Reise meiner Gehilfin«, antwortete die Erste.
Er blickte zu der reizvollen jungen Frau, die mit einem hübschen Mädchen näher kam. Der Zelandoni lächelte und ging der Frau mit ausgestreckten Händen entgegen. Dann bemerkte er den Wolf und schaute sich nervös um.
»Ayla von der Neunten Höhle der Zelandonii ...«, begann die Erste die förmliche Vorstellung mit Aylas wichtigen Namen und Zugehörigkeiten.
»Ich heiße dich willkommen, Ayla von der Neunten Höhle der Zelandonii«,
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