Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
habe ihn gefunden, als er noch ein Welpe war, aber er ist mit den Kindern des Löwenlagers der Mamutoi aufgewachsen.«
Die Frau wurde sich Aylas Akzent bewusst sowie der seltsamen Namen der Menschen, die sie erwähnt hatte. Unwillkürlich war ihre Neugier geweckt. Ayla hörte, dass sich der Atem der Frau beruhigt hatte.
»Bei ihnen lebte ein Junge, den die Gefährtin des Anführers adoptiert hatte«, fuhr Ayla fort. »Manche würden ihn als Scheusal bezeichnen, eine Mischung aus Clan, den Leuten, die auch als Flachschädel bezeichnet werden, und denen, die aussehen wie wir, doch Nezzie war eine fürsorgliche Frau. Sie stillte ihr eigenes Kind, und nachdem die Clan-Frau starb, die ihn zur Welt gebracht hatte, stillte sie auch den Neugeborenen. Sie wollte ihn nicht einfach in die nächste Welt gehen lassen, doch Rydag war schwach, und er konnte nicht so sprechen wie wir.
Die Menschen im Clan unterhalten sich meistens mit Handzeichen. Sie haben Wörter, aber nicht so viele wie wir, und sie können viele unserer Wörter nicht aussprechen. Ich habe meine Familie bei einem Erdbeben verloren, aber ich hatte Glück, weil der Clan mich fand und eine Clan-Frau mich aufzog. Ich lernte mich so zu verständigen wie sie.
Deshalb hört es sich anders an, wenn ich spreche, besonders einige Wörter. Sosehr ich mich auch bemühe, bestimmte Laute gelingen mir immer noch nicht.«
Obwohl das Licht in der Ecke ziemlich spärlich war, bemerkte Ayla, dass die Frau ihre Decke hatte fallen lassen und der Geschichte offensichtlich gebannt lauschte. Wolf winselte nach wie vor leise und war bestrebt, an sie heranzukommen.
»Als ich Wolf in das Langhaus des Löwenlagers mitbrachte, entwickelte er eine besondere Nähe zu diesem schwächlichen Jungen. Ich weiß nicht, warum, doch Wolf mag auch Neugeborene und kleine Kinder. Sie können ihn knuffen, ihn am Fell ziehen, und er beklagt sich nie, als wüsste er, dass sie es nicht so meinen, und er fühlt sich einfach als Beschützer. Kann sein, dass du dieses Verhalten für einen Wolf merkwürdig findest, aber so gehen sie mit ihren eigenen Welpen um. Das ganze Rudel beschützt die Jungen, und Wolf fühlte sich für diesen schwachen Jungen besonders verantwortlich.«
Ayla beugte sich noch weiter zu der Frau vor, während Wolf näher kroch. »Ich glaube, so geht es ihm mit dir. Er weiß, dass du verletzt wurdest, und er will dich beschützen. Siehst du, er versucht, dich zu erreichen, doch er ist dabei sehr vorsichtig. Hast du jemals einen lebenden Wolf berührt? Sein Fell ist an manchen Stellen weich, an anderen rau. Wenn du mir deine Hand gibst, werde ich es dir zeigen.«
Ohne Vorwarnung griff Ayla nach der Hand. Noch bevor die Frau sie zurückziehen konnte, hatte Ayla sie auf Wolfs Kopf gelegt, und das Tier ließ seinen Kopf auf das Bein der Frau sinken. »Er ist warm, nicht wahr? Und es gefällt ihm, wenn du ihn hinter den Ohren kraulst.«
Ayla spürte, wie die Frau zögernd Wolfs Kopf kraulte, und nahm dann ihre Hand fort. Sie hatte die Narben gefühlt, die Steifheit der Haut an den Stellen, an denen sie sich während der Heilung gespannt hatte, doch anscheinend konnte sie ihre Hand gebrauchen. »Wie hast du dir diese Verbrennungen zugezogen?«, fragte Ayla.
»Ich habe einen Kochkorb mit heißen Steinen gefüllt und noch ein paar weitere hinzugefügt, bis das Wasser siedete. Dann wollte ich ihn ein Stück beiseiteschieben. Er fiel auseinander, und die heiße Flüssigkeit ergoss sich über mich«, antwortete sie. »Ich war so dumm! Ich wusste, dass der Korb abgenutzt war. Ich hätte ihn nicht mehr benutzen dürfen, aber ich wollte nur etwas Tee zubereiten, und der Korb stand gerade in der Nähe.«
Ayla nickte. »Manchmal denken wir nicht nach, bevor wir etwas machen. Hast du denn einen Gefährten? Oder Kinder?«
»Ja, ich habe einen Gefährten und Kinder, einen Jungen und ein Mädchen. Ich habe ihm gesagt, er solle sie mit zum Sommertreffen nehmen. Sie sollen nicht leiden, nur weil ich so dumm war. Es ist meine Schuld, dass ich nicht mehr hingehen kann.«
»Warum nicht? Du kannst doch laufen, oder? Du hast dir nicht die Beine oder die Füße verbrannt.«
»Ich will nicht, dass mich die Leute wegen der Narben in meinem Gesicht und an den Händen mitleidig ansehen«, sagte die Frau wütend, und Tränen traten ihr in die Augen. Sie zog ihre Hand von Wolfs Kopf und legte sich die Decke wieder über.
»Ja, ein paar Menschen werden dich mitleidig betrachten, aber uns allen passieren Missgeschicke, und
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