0005 - Der Mörder mit dem Januskopf
Verflogen waren die Schmerzen. Er fühlte sich wie neugeboren. Stark genug, sich an der Jagd nach dem verdammten John Sinclair zu beteiligen. Der Januskopf wußte genau, daß er nicht eher in das Reich des Grauens zurückkehren konnte, bis der Geisterjäger erledigt war.
Er wollte Sinclairs Kopf, um ihm dann das Gesicht nehmen zu können.
Um das Mädchen kümmerte sich der Januskopf nicht mehr. Er klinkte die Wagentür auf und verließ den Ford.
Er mußte den Tag nutzen, denn in den nächsten Stunden galt es, wichtige Aufgaben zu bewältigen. Schließlich sollte dieser Freitag auch John Sinclairs Todestag sein…
***
LONDON CONTACT war »in«!
Der Name der riesigen Vergnügungshalle zuckte in farbigen Leuchtbuchstaben an allen vier Seiten des vierstöckigen Gebäudes auf. Die Werbung war schon von weitem zu sehen und zog scharenweise Einheimische und auch Touristen an.
Geboten wurde fast alles.
Heißer Strip, Glücksspiel, Massagen, Unterhaltung jeglicher Art. Vom Tanzvergnügen bis zur Opiumpfeife. Im LONDON CONTACT konnte jeder sein Glück versuchen, vorausgesetzt, er besaß genügend Kleingeld.
Zahlte jemand nicht, dann sorgten stämmige Aufpasser dafür, daß er auf einem Hinterhof landete.
Besitzer dieses Vergnügungscenters war Alex Tarras! Er hatte das LONDON CONTACT aus dem Boden gestampft, und jetzt, nachdem sich die Investitionen amortisiert hatten, holte er aus dem Palast ein Millionenvermögen.
Das war nicht nur in der Unterwelt bekannt, sondern auch die Polizei wußte davon.
Und John Sinclair.
Der Geisterjäger war zum Glück gewarnt. Die Aufnahmen hatten ihm einen wertvollen Hinweis gegeben. Es gab also einen Dämon, für den Tarras die Kastanien aus dem Feuer holen sollte.
Aber wer war dieser Unheimliche?
John Sinclair wollte ihm und Tarras das Handwerk legen und hatte sichentschlossen, dem LONDON CONTACT einen Besuch abzustatten. Alex Tarras stand noch immer unter Beobachtung. John wußte, daß der Gangsterboß den großen Vergnügungsmoloch aufgesucht hatte, um hofzuhalten. In der letzten Etage hatte sich Tarras ein Büro eingerichtet; hier nahm er die Abrechnungen und Kontrollen vor. Jeder seiner Unterführer mußte antanzen und Bericht erstatten. Die Leute brachten die Schecks der letzten Einnahmen, und hatte es einmal Schwierigkeiten gegeben, so wurden sie noch in den nächsten Stunden aus dem Weg geräumt. Meistens mit brutaler Gewalt.
Natürlich hatte auch John Sinclair seine Vorbereitungen getroffen. Er hatte sich jedoch nicht dazu überreden lassen, eine gepanzerte Weste anzulegen. John traute es dem Gangsterboß nicht zu, daß er ihm eine Kugel in den Rücken jagen würde. Außerdem mußte er John erst einmal vor die Mündung bekommen. Und das war schwer genug.
Der Geisterjäger hatte sich den Tag über im Yard-Gebäude aufgehalten. Dort waren alle Informationen eingelaufen und ausgewertet worden. Um Alex Tarras spannte sich nun ein unsichtbares, dichtes Netz, in dem der Gangster sich einfach fangen mußte. Ebenso wie der unbekannte Dämon.
Zu der großen Vergnügungshalle gehörte selbstverständlich auch ein bewachter Parkplatz. Er hatte ungefähr die Größe eines Fußballfeldes und war an den Seiten von neu angepflanzten Buschreihen markiert. John lenkte seinen Silbergrauen in eine auf der Asphalt gezeichnete Parktasche und wollte schon aussteigen, als die Tür geöffnet wurde.
Der Parkplatzwächter, in Phantasieuniform und einem geschäftsmäßigen Lächeln auf den Lippen, hielt den Türgriff in der Hand. »Willkommen bei uns, Sir«, sagte er. »Ich hoffe, Sie finden das, was Sie sich wünschen!«
John Sinclair stieg aus. Verstohlen drückte er dem Parkplatzwächter einige Münzen in die Hand, die der gute Mann wegsteckte ohne nachzusehen wie viele es waren.
»Darf ich Ihnen einen besonderen Tip geben?« fragte er.
»Ja.« John dehnte und reckte sich. Er spielte den unternehmungslustigen Touristen.
»Wir haben heiße Chinagirls. In der ersten Etage. Sonnen-Sauna. Sie werden es nicht bereuen.«
John grinste. »Danke, ich werde es mir merken.«
Der Geisterjäger schlenderte auf den Eingang zu.
»Viel Vergnügen, Sir«, rief ihm der Hüter der Blechkisten noch nach.
John gab keine Antwort mehr. Laternen säumten den breiten Weg, der mit Steinplatten belegt war. Mond und Sterne waren nicht zu sehen. Über London hing wieder einmal ein wolkiger Himmel. Der frische Wind drang durch Johns Anzug und lieferte eine Gratisgänsehaut.
Der Geisterjäger betrat den Palast.
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