0005 - Ich griff »Nummer eins«
üblichen Besetzung herbei und buddelten einen Toten aus der einen ziemlich genauen Herzschuß und eine Kugel in der Schulter hatte. Dem Reviervorsteher kam das Gesicht des Toten bekannt vor. Er blätterte in den Fahndungsbogen und rief uns an.
Phil und ich fuhren sofort im Jaguar hin. Ein Blick genügte, um jeden Zweifel zu beseitigen. Er war einer von den Patt-Leuten, ein noch recht junges Bürschen, das zu seinen Lebzeiten auf den Namen Stinner gehört hatte. Er wurde in die Anatomie transportiert. Vier Stunden später hielten wir das Ergebnis der Obduktion in den Händen.
Die Kugel in der Schulter stammte aus meiner Null-acht, aber die Kugel in der Herzgegend, die ihn getötet hatte, war von einem anderen Kaliber. Nach dem Zustand der Leiche urteilten die Ärzte, daß Stinner seit ungefähr zehn Tagen tot sein mußte. Phil und ich wußten beide, was wir dachten, aber Phil sprach es aus.
»Jetzt haben wir nur noch fünf potentielle Zeugen gegen ›Nummer eins‹! Ich kann mir vorstellen, wie er es gemacht hat. Wahrscheinlich noch in der gleichen Nacht hat er Stinner abgeholt unter dem Vorwand, ihn zu einem Arzt zu schaffen. Statt dessen erschoß er ihn, vergrub ihn in dem Brachland, alles vermutlich unter Mithilfe von Pete O‘Neigh, der ihm ja ohnedies blindlings ergeben ist. — Wir müssen sehr aufpassen, daß er es mit den restlichen fünf nicht genauso macht.«
***
Dieser Tag schien überhaupt einer von jenen Tagen zu sein, an dem die Nackenschläge sich häuften. Wir hatten bis zu einer späten Stunde mit Mister High beraten, welche Maßnahmen wir noch treffen konnten, um die Fahndung zu intensivieren. Viel war dabei nicht herausgekommen, aber der Chef legte uns Berichte der Kollegen vor, die wechselseitig mit der Überwachung Upton Gingers beauftragt worden waren.
Ich hatte mich selbst um Ginger nicht mehr gekümmert, solange wir in der Buchmachergeschichte steckten. Seine Bewachung war in der vereinbarten Form durchgeführt worden. Tagsüber saß ein FBI-Beamter in seinem Büro, nachts schlief einer in seinem Wohnzimmer, während ein zweiter in einem Wagen vor dem Haus saß. Sie sehen, wir hatten Manschetten vor ›Nummer eins‹ und taten alles, um Upton Ginger am Leben zu halten.
Nach den Berichten der Kollegen, die bei Ginger den Tagdienst versahen, bekam die Überwachung Upton nicht gut. Sein Laden schien einzuschlafen. Unsere Leute machten die Beobachtung, daß Briefe harmlosen Inhaltes nicht beantwortet wurden, und sie vermuteten, wahrscheinlich mit Recht, daß die Texte, wenn man sie entschlüsselte, durchaus nicht mehr harmlos blieben. Ginger wagte es nicht, unter den Augen der Polizei solche Manipulationen vorzunehmen. Seine Stenotypistinnen saßen herum und polierten ihre Nägel. Nach acht Tagen bekam er einen Wutanfall und warf sie samt und sonders hinaus.
— Natürlich wurde ihm auch aus Diebstählen, Überfällen, Einbrüchen innerhalb der USA keine Ware mehr angeboten. Ganoven bekommen es sehr schnell heraus, wenn irgendwo etwas faul ist, und mit nichts ist ein Verbrecher so vorsichtig wie in der Auswahl seines Hehlers, denn er hat keine Lust, nachdem der Diebstahl, Einbruch, Überfall geklappt hat, nun geschnappt zu werden, weil der Hehler ungeschickt war.
Der letzte Bericht, den Mister High uns vorlegte, stammte von vorgestern. In der knappen FBI-Sprache hieß es dort:
»Dienstantritt acht Uhr dreißig. Mit Gingers Wagen von der Wohnung zum Büro. Obwohl sich keine Angestellten mehr im Büro befinden, hält Ginger an der Gewohnheit fest, um neun Uhr dort zu sein. Die noch eingegangene Post wurde von ihm nicht geöffnet. Zwei Telefonanrufe nahm er nicht an. — Er las die Morgenzeitung, knüllte sie aber nach wenigen Minuten zusammen. Daraufhin wanderte er über zwei Stunden ruhelos im Zimmer auf und ab, wobei er Unverständliches murmelte. Plötzlich fing er ein Gespräch mit mir an, worin er fragte, ob wir Harry Brian noch nicht gefaßt hätten. Ich gab keine Antwort. Er bekam einen Wutanfall, beschimpfte Brian und drohte immer wieder, er würde ihn umbringen. Nur noch vierzehn Tage, und er wäre restlos ruiniert, die Arbeit von vier Jahren zum Teufel. Mitten während des Tobens verlangte er von mir, ich solle die Überwachung abbrechen. Ich verwies ihn an das Hauptquartier, und er ließ dieses Thema fallen. — Die nächsten drei Stunden hockte er in einem Sessel und brütete dumpf vor sich hin.«
In diesem Stil ging der Bericht weiter. Gingers Tageslauf bestand in einem
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