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0008 - Ich faßte den Eisenbahn-Mörder

0008 - Ich faßte den Eisenbahn-Mörder

Titel: 0008 - Ich faßte den Eisenbahn-Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delfried Kaufmann
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Zeitung nach dem Vergnügungsprogramm, um nach den passenden Gelegenheiten zur Zerstreuung bis übermorgen Ausschau zu halten. Im Logan Theater spielten sie einen Film, der mich interessierte, und ich ließ mir für den Abend vom Portier eine Karte besorgen.
    Das Logan Theater ist einer der größten Vergnügungspaläste Chicagos. Vor dem Film zeigen sie ein ausgedehntes Varietéprogramm. Das müssen sie tun, wenn sie die Leute überhaupt noch von ihren Fernsehgeräten weg in den Kintopp locken wollen.
    Ich ließ es über mich ergehen. Es fing an mit einem Ballett. Es folgten zwei Parterre-Akrobaten, dann ein Jongleur und dann ein Zahnkraftakt, ausgeführt von einer blonden Frau. Hallo, ich kannte die Dame doch, die dort an ihrem eigenen Gebiß herumturnte. Rasch blätterte ich im Programm.
    Richtig: Death-Lilly, das Girl aus dem Intercontinental, das auch nicht schlafen konnte. Ich überlegte mir, daß ich noch einen langen Abend vor mir hatte, und ich kannte niemanden in Chicago. Wenn Death-Lilly nicht anderweitig vergeben war, konnte sie mir beim Abendbrot Gesellschaft leisten.
    Ich wartete ab, bis ihre Nummer zu Ende war, drängte mich durch die Reihe und verhandelte mit einer Platzanweiserin, mir den Weg hinter die Bühne zu zeigen. Für zwei Dollar tat sie es.
    Wie es hinter den Kulissen aussah, wußte ich von einem Hollywood-Job her, jedenfalls nicht annähernd so glanzvoll wie vor dem Vorhang.
    Death Lilly teilte eine Garderobe mit einer Kollegin. Jedenfalls stand ein zweiter Name, ›Monique‹, an der Tür.
    Ich klopfte in aller Bescheidenheit an. Ein ältliches weibliches Wesen, die Garderobiere, steckte den grauen Kopf heraus.
    Ich erkundigte mich, ob Miss Death-Lilly zu sprechen sei. Mein Name sei Cotton, und wir wären alte Bekannte von einer D-Zug-Fahrt her.
    »Moment«, sagte die Garderobiere streng und schlug mir die Tür vor der Nase zu. Erst drei Minuten später tauchte sie wieder auf und eröffnete mir, daß ich eintreten möge.
    Die blonde Artistin saß in einem Bademantel am Schminktisch, hatte mit einem Tuch die Haare zurückgebunden und hantierte mit einem Wattebausch an ihrer Fassade.
    Sie drehte sich zu mir um, zeigte das Berufsgebiß und rief: »Hallo, Mr. G-man. Nett, daß Sie sich meiner erinnern.« Dabei steckte sie mir die linke Hand hin. Ich schüttelte sie höflich.
    »Reden wir nicht vom Dienst. Woher wissen Sie überhaupt…«
    »Na«, lachte sie, »ich habe Sie doch groß in Aktion gesehen, damals in jener Nacht im Intercontinental. Sie übler Schwindler, mir zu erzählen, Sie wären ein Geschäftsmann. Und hinterher hatten Sie keinen Blick mehr für mich.«
    »Der Beruf geht nun mal vor«, sagte ich, »aber würden Sie dennoch mit mir zu Abend essen?«
    »Sehr gern. Wissen Sie, ich finde die Bekanntschaft mit einem G-man rasend interessant. Sie müssen mir Ihre beruflichen Abenteuer erzählen.«
    »Den Teufel werde ich tun«, knurrte ich.
    »Ich bringe Sie schon dazu«, sagte sie lächelnd, »aber jetzt müssen Sie mich entschuldigen. Ich muß mir mein Bühnengesicht noch abwischen.«
    Wir plauderten, während sie mit Lappen, Watte, Bürsten hantierte. Später zog sie sich hinter einen spanischen Schirm zurück. Als sie wieder hervorkam, trug sie ein nettes Straßenkostüm.
    »Wenn Sie wollen, G-man, können wir gehen.«
    »Hören Sie«, brummte ich, »nennen Sie mich Cotton oder Jerry, aber lassen Sie diese Berufsbezeichnung weg. Wenn Sie mich während des Essens so nennen, können Sie erleben, daß achtzig Prozent der Gäste das Lokal verlassen.«
    Sie lachte. Ehrlich, sie sah nett aus, wenn sie lachte. Wahrscheinlich kam das von ihren allein schon aus Berufsgründen so wunderbar gepflegten Zähnen.
    Wir waren im Begriff zu gehen, als die Garderobentür geöffnet wurde, und eine zweite junge Dame erschien, ein wahrhaft enormes Wesen, gegen das Death-Lilly geradezu bescheiden wirkte. Die Dame war schwarzhaarig von leicht getönter Haut und mit grauen Augen.
    »Das ist Monique, meine Kollegin«, stellte Lilly vor. »Trapezakt. Monique, das ist Mr. Cotton, der G-man aus dem Intercontinental, von dem ich dir erzählte.«
    Miss Monique lächelte zurückhaltend und wünschte: »Guten Abend.« Dann setzte sie sich an ihren Schminktisch.
    »Warum sind Sie so schweigsam, G-man?« fragte Lilly draußen.
    Tatsächlich, ich hatte zwei Minuten kein Wort gesprochen.
    »Gefällt Ihnen Monique?« fragte sie weiter.
    Gefallen? Nein, das war nicht das richtige Wort. Aber sie interessierte mich.

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