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0008 - Ich faßte den Eisenbahn-Mörder

0008 - Ich faßte den Eisenbahn-Mörder

Titel: 0008 - Ich faßte den Eisenbahn-Mörder
Autoren: Delfried Kaufmann
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Menschen, der ihn erkennen konnte, wenn auch nicht an mehr als an der Art seiner Bewegungen und seines Blickes.
    Es hatte keinen Zweck, Chicagos Polizei verrückt zu machen. Diese Sache konnte ich nur ganz allein erledigen, und wenn ich bis morgen abend nervös werden sollte, konnte ich immer noch den Herrn Polizeichef bitten, ein paar Leute mehr als gewöhnlich um neun Uhr zur S-Bahn-Station Rodderplatz zu schicken.
    Wenn einem eine dicke Sache bevorsteht, so tut man am besten daran, einfach nicht darüber nachzudenken. Bis morgen abend hatte ich Zeit genug. Ich fuhr zum Rodderplatz und sah mir die Gegend an, aber dann erwischte ich per Telefon Liane in ihrer Künstlerpension. Sie konnte sich für den Abend nicht mehr freimachen, weil sie mit ihrem Impressario verabredet war, der ihr einen neuen Vertrag vorlegen wollte, aber morgen brauchte sie nicht aufzutreten, und sie schlug mir vor, wir sollten einen schönen Tag am Michigansee verbringen.
    ***
    Sie wissen, Chicago ist eine Stadt, bei der man von Schönheit nicht gut reden kann, aber der Michigansee, an dem sie liegt, ist große Klasse. Ich mietete mir am Morgen einen Lincoln und holte Liane ab. Wir steuerten gemächlich die Straße in Richtung Milwaukee, und ungefähr so in der Mitte zwischen beiden Städten schlugen wir uns seitwärts in die Büsche.
    Die Uferstraße liegt etwa dreihundert Yard vom Seeufer weg und verläuft auf einer Böschung, denn der Michigansee tut bei dem passenden Wind schon mal so, als wäre er ein Meer. Die Wiesen sind mit Büschen und jungen Bäumen bepflanzt, die Böschung ausschließlich mit starken Machandelsträuchern, deren Wurzeln ihr mehr Halt geben sollen.
    Liane und ich schlenderten dahin, und — ich muß es Ihnen gestehen — wir gingen Hand in Hand. Wir kletterten die Böschung hoch. Ich zog sie nach, obwohl sie sicherlich nicht schlechter lief als ich, ließ sie sich ziehen. Dann standen wir auf der Straße. Der gemietete Lincoln parkte einige fünfzig Schritt weiter am Straßenrand auf der gegenüberliegenden Seite.
    Ich hatte heute abend noch eine Sache vor, von der ich, by Jove, nicht wußte, wie sie ausgehen würde. Ich fühlte dem Mädchen gegenüber so etwas wie Dankbarkeit für die paar schönen Stunden. Erkannte der Mann, den ich am Rodderplatz zu treffen hoffte, mich eine Minute früher als ich ihn, dann konnte dieser lustige Tag am Michigansee der letzte meines Lebens gewesen sein.
    Ich hatte die Hand des Mädchens losgelassen, als wir auf der Straße standen.
    »Wer erster am Wagen ist, darf fahren!« rief sie plötzlich und rannte los. Ich verlor eine halbe Sekunde, bevor ich startete, und sie gewann ein paar Schritt Vorsprung.
    Hören Sie, es ist ein erbärmliches Gefühl, wenn man mit einem strahlenden Lächeln einem Girl nachrennt, und auf einmal knallt es, und man findet sich im Straßenstaub wieder.
    Jawohl, es knallte. Es war, als schlüge mir eine mächtige und doch spitze Faust mit großer Kraft gegen die Schulter. Ich lag plötzlich flach, und ich weiß bis heute noch nicht, ob ich mich hingeworfen oder ob der Anprall der Kugel mich von den Beinen geholt hatte.
    Es ist ein Glück, daß die Natur uns so eingerichtet hat, daß unser Organismus, wenn es brenzlig wird, schlagartig auf Touren läuft. Das ist ungefähr so, als schösse ein Auto, das bisher gemächlich mit zwanzig Meilen über die Straßen gezockelt ist, plötzlich und ohne Übergang mit hundert in der Stunde dahin.
    Noch bevor ich richtig lag, erkannte ich, daß der oder die Schützen in den Sträuchern auf der anderen Straßenseite lagen. Ich rollte mich um die eigene Längsachse quer über die Straße. Ich hörte zwei weitere Schüsse krachen. Eine Kugel schlug zwei Zoll hinter mir etwas aus dem Asphalt. Noch eine, zwei drei Umdrehungen, noch zwei Schüsse und ich erreichte den Straßenrand, rollte darüber hinweg und fiel ein paar Fuß tiefer in die Machandelbüsche und damit in die Deckung.
    Mein rechter Arm taugte nicht mehr viel. Ich konnte ihn zwar bewegen, und ich bekam auch den Revolver aus der Halfter, aber dann vermochte meine Hand ihn nicht zu halten. Ich nahm ihn in die Linke, und nun wollte ich es den Freunden zeigen.
    Ein paar Sekunden hatte das Manöver gekostet. Ich kroch auf dem Bauch nach oben. Ich steckte die Nase über die Böschung. Es blieben mir nur zwei Sekunden, um mich über die Lage zu orientieren. Liane lag regungslos auf der Straße, nicht sehr weit von meinem Lincoln entfernt. Wo meine Gegner waren, wußte ich
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