0011 - Der Irre mit der Teufelsgeige
beenden. Sie hob den Ast, lief noch zwei Schritte vor – und…
Mit einem Schrei ließ Jane Collins ihre ›Waffe‹ fallen. Sie sprang zur Seite, ihr Gesicht verzerrte sich vor Ekel. Jane starrte auf den Ast, der sich verwandelt hatte.
In eine grün schillernde Schlange!
Sie ringelte vor Jane auf dem Boden, huschte dicht an ihren Fußspitzen vorbei und versuchte, sich an ihren Beinen hochzuschlängeln.
Angewidert sprang die Detektivin zurück. Sie prallte mit den Hacken gegen einen aus dem Boden ragenden Ast, stolperte, verlor das Gleichgewicht…
Zwei Hände packten zu wie Stahlklammern, hielten eisern fest und drückten das Fleisch an den Oberarmen zusammen. Dicht neben Janes rechtem Ohr raunte eine Stimme: »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Flucht keinen Sinn hat. Und mit lächerlichen Karateschlägen können Sie mich auch nicht besiegen.«
Sekundenlang schloss Jane Collins die Augen. Aus. Ihre Flucht, ihr Kampf, es war alles umsonst gewesen. Sie hatte verloren.
Professor Zarcadi war der Stärkere. Jane spürte, dass ihre Knie weich wurden. Doch nur einen Moment lang, dann hatte sie sich wieder gefangen.
»Ich hoffe, Sie sind nun endlich vernünftig, Miss Collins. Noch einmal lasse ich mir das nicht bieten. Dann werde ich Sie töten. Endgültig.«
Zarcadi ließ sie los. Er ging auf die erschlagene Eule zu, hob sie auf und warf sie Jane vor die Füße. »Es war nicht gut von Ihnen, dieses Tier zu töten. Sie haben sich den Zorn ihrer Brüder zugezogen. Diese Tat verlangt nach Blut – nach Ihrem Blut. Sobald die Eulen Sie allein antreffen, greifen sie an. Also bleiben Sie immer in meiner Nähe. Zu Ihrer eigenen Sicherheit.«
Zarcadi wandte den Kopf und blickte Jane unverwandt in die Augen. »Sie haben mitbekommen, wie sich der Ast in eine Schlange verwandelt hat. Das war nur eines der Geheimnisse dieses Waldes. Es gibt noch andere. Weit schlimmere. Und jetzt folgen Sie mir. Ich will Ihnen etwas zeigen.«
Als Jane Collins nicht reagierte, fasste Zarcadi sie grob an der Schulter. Er ließ sie auch den weiteren Weg über nicht los, streifte mit ihr quer durch den Wald.
Jane stolperte willenlos mit. Sie hatte auch die Orientierung verloren. Ihr war in diesen Momenten alles egal geworden. Die Detektivin bemerkte kaum, dass sich der Wald lichtete. Und plötzlich stand sie mit Zarcadi vor dem Treibhaus.
Die Wände bestanden aus dickem, undurchsichtigem Glas. Die einzelnen Fenster wurden von Stahlstreben gehalten. Zarcadi ging mit Jane um das Treibhaus herum, erreichte die Stirnseite und blieb vor einer Tür stehen. Er schloss sie auf.
»Bleiben Sie jetzt dicht bei mir!« flüsterte er warnend.
Dann betraten sie das Treibhaus. Warme, schwüle Luft mit hohem Feuchtigkeitsgehalt schlug ihnen entgegen. Jane bekam Atembeschwerden. Der Kampf vorhin und der Lauf hatten sie angestrengt.
Blühende, fremdartige Gewächse präsentierten sich ihren Blicken. Ein Gang teilte wie mit dem Lineal gezogen diesen prächtigen Garten, über dem ein betörender Duft schwebte. Manche Gewächse wuchsen bis hoch an das Glasdach, bogen sich dann wieder dem Boden entgegen und sahen aus wie große, grüne Arme.
Jane sah farbige, kopfgroße Blüten, die ihre Kelche weit geöffnet hatten und deren Blätter sich hin und her bewegten wie Wellen auf dem Meer.
Sie durchquerten das Treibhaus und blieben abermals vor einer Tür stehen. Sie war schmal und führte in einen kleinen Anbau, der als Geräteschuppen diente. Aber nicht nur Harken, Schaufeln und Hacken standen darin. Den Mittelpunkt des Schuppens bildete ein Sarg.
Zarcadi machte Licht und schob den Sarg näher an Jane Collins heran. Er war aus dunklem, schwerem Holz gefertigt, war mit Silbergriffen versehen und hatte bestimmt ein Vermögen gekostet.
Doch das alles interessierte Jane Collins nicht. Sie las nur den Schriftzug auf dem Deckel des Sarges. Golden schimmernde Buchstaben setzten sich zu einem Namen zusammen. Zu einem Namen, der Jane Collins mehr als nur ein Begriff war.
JOHN SINCLAIR
Jane Collins wurde leichenblass. Sie hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Wie aus unendlich weiter Ferne hörte sie die Stimme des Professors.
»Ihr Freund kann ruhig kommen, Miss Collins. Sie sehen selbst, dass alles für seine Beerdigung vorbereitet ist…«
***
Wir erreichten den Ort bei Anbruch der Dämmerung. Er lag idyllisch, in einem Tal, das von bewaldeten Hängen umgeben war. Die Kronen der Fichten bogen sich im leichten Wind, und zwischen dem Grün der Nadelbäume
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