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0028 - Invasion der Monster

0028 - Invasion der Monster

Titel: 0028 - Invasion der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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Blut rann aus langen Schnitten, rot klaffte die Verletzung in Höhe des Herzens. Aber aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz war Leben in dieser verstümmelten Gestalt, vermochte sie sich aufzurichten, von dem Altarstein herunterzugleiten und sich umzusehen.
    Das hübsche Mädchengesicht hatte sich zu einer Fratze verzerrt.
    Weiß schimmerten die Zähne, in den blauen Augen flammte nackte Mordlust. Wie Klauen krümmten sich die Finger, streckten sich, krümmten sich erneut – und Daniel Karz sah, daß die Nägel von Sekunde zu Sekunde länger wuchsen und sich in nadelscharfe Krallen verwandelten.
    Ein leises, drohendes Fauchen kam aus der Kehle der Toten.
    Karz wich zurück.
    Dunkel begriff er, daß er es war, auf den sich die Mordgier seines Opfers konzentrierte. Die Dämonen der Hölle konnten ihm nichts anhaben – er hatte ihnen die Pforten geöffnet, er würde sich zu ihrem Herrscher aufschwingen. Aber bei der lebenden Leiche, die auf ihn zuschwankte, war das anders. Er war ihr Mörder. Die Berührung des unheimlichen roten Wesens hatte sie in eine Bestie verwandelt, mit gebleckten Zähnen schlich sie auf ihn zu – und Daniel Karz bekam zum ersten Mal eine Ahnung davon, wie es sein würde, wenn er der Geister nicht mehr Herr wurde, die er gerufen hatte.
    Er keuchte.
    »Zurück!« peitschte seine Stimme. »Zurück ins Reich der Toten! Hebe dich hinweg! Hinweg…«
    Gräßliches Gelächter gellte. Die Kiefer der Toten klafften auseinander, wie eine Raubkatze fauchend kam sie näher. Schon zog sich der blutüberströmte Körper zusammen, duckte sich zum Sprung – und Karz riß mit einer blitzschnellen Bewegung das Messer hoch.
    Bis zum Heft drang die Klinge in den Leib.
    Immer noch gellte das höllische Gelächter. Die Hand der Toten zuckte vor, Krallen bohrten sich in Karz’ Arm, und mit einem wilden Aufschrei wirbelte er herum und schleuderte die lebende Leiche von sich.
    Das Mädchen taumelte quer durch den Raum.
    Der Altarstein hielt sie auf. Mit einem gurgelnden Laut stürzte sie zu Boden, wollte sofort wieder aufspringen – und dabei berührte sie die schwarze Schatulle.
    Wie ein Stromstoß ging es durch den Körper der Toten.
    Ihr Mund klaffte auseinander. Aber diesmal war es nicht das wütende Fauchen, das aus ihrer Kehle drang, sondern ein gellender, langgezogener Schrei.
    Ihre rechte Hand hatte das geheimnisvoll schimmernde Material der Schatulle berührt. Und es war, als werde diese Hand in Sekundenschnelle von einer Säure zerfressen. Sie verschwand einfach. Ein blutiger Armstumpf blieb übrig – und auch er schien sich unter dem Einfluß einer unheilvollen Macht aufzulösen. Der Zersetzungsprozeß erfaßte die ganze rechte Körperhälfte des Mädchens. Schreiend fiel sie zu Boden, wälzte sich über die Steine. Nur Sekunden dauerte es, dann verblaßten selbst ihre Züge, die Haut wurde durchscheinend, und dort, wo sie sich eben noch in wilden Zuckungen gewunden hatte, hing nur ein verblassender Schleier in der Luft.
    Daniel Karz atmete tief durch.
    Seit den Ereignissen in dem Londoner Hotel hatte er geahnt, welche Wirkung die Schatulle ausübte. Jetzt wußte er es. Nur dem Schutz der Essenz aus Menschenblut und geheimnisvollen Kräutern verdankte er es, daß ihn nicht längst das gleiche Schicksal ereilt hatte und noch deutlicher als vorher war er sich der schrecklichen Gefahr bewußt, in der er sich von heute an ständig befinden würde.
    Aber er war gewarnt.
    Er würde aufpassen, sich nicht überraschen lassen.
    Seine farblosen Augen funkelten. Er wandte sich um, und seine Lippen verzerrten sich triumphierend, als er das schleimige rote Wesen sah, das wie eine riesige träge Qualle auf dem Altarstein hockte.
    Mit zwei Schritten stand Karz an der Tür und öffnete sie.
    »Hinaus!« flüsterte er. »Hinaus! Gehe in die Welt, verbreite Furcht und Schrecken im Namen der Finsternis. Du bist der erste…«
    Das widerliche rote Geschöpf setzte sich in Bewegung.
    Die schwimmenden Augen zuckten umher. Tentakel streckten sich aus, wurden wieder zurückgezogen, und der gräßliche Körper schien förmlich über die Türschwelle zu fließen.
    Die steile Treppe legte er auf die gleiche Weise zurück.
    Sekundenlang erinnerte er an eine widerliche Blutspur, die groteskerweise nicht abwärts über die Stufen sickerte, sondern aufwärts.
    Dann verharrte er einen Moment am Kopf der Treppe, zog sich zu einer Art Gallertklumpen zusammen und verschwand mit eigentümlich hüpfenden Bewegung in der Dunkelheit des

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