003 - Die schwarze Rose
der Mitte des Raums, damit niemand den Blick von ihm abwenden konnte, ohne dass er es bemerken würde.
Dann räusperte er sich geräuschvoll. Drei Mal.
„Der Pöbel fragt sich, wo kann er denn sein?
Man sucht ihn oben, man sucht ihn unten,
in der Nähe, in der Ferne und überall.
Doch die elende Rose bleibt stets verschwunden."
Alle außer John, der mit versteinerter Miene dasaß, applaudierten begeistert.
„Vielen Dank!" Percy verbeugte sich strahlend und warf seinem Publikum Kusshände zu.
Bleibt mir denn gar nichts erspart? fragte sich John und stöhnte gequält. Er neigte sich zu Chloe und flüsterte: „Gehen wir wieder nach oben, meine Süße. Diese Gespräche langweilen mich, und wir haben was Besseres zu tun."
Ruckartig wandte sie sich zu ihm, und ihr Kopf stieß beinahe gegen seine Nase. „Alle anderen finden die Konversation hochinteressant. Vielleicht solltest du der Comtesse Zambeau öfter zuzwinkern. Dann würdest du dich nicht so langweilen", betonte sie und kehrte ihm wieder den Rücken zu.
„Wovon redest du?" fragte er so leise, dass die anderen nichts hören konnten.
Ohne ihn anzuschauen, wisperte sie: „Wenn du die Aufmerksamkeit der Comtesse Zambeau erregen willst, so ist das deine Sache, John. Unter diesen Umständen betrachte ich unsere Vereinbarung als ungültig." Während sie abwartete, wie er sich verhalten würde, stockte ihr der Atem.
Allzu lange musste sie nicht warten. „Du wirst nichts dergleichen tun!" schrie er. Alle starrten ihn an. Hastig senkte er seine Stimme. „Unser Abkommen gilt nach wie vor.
Vergiss das nicht, Lady Sexton."
„Wenn du darauf bestehst ..." Sie konnte nicht aufhören, ihn herauszufordern. Nach all den Jahren war es höchst vergnüglich, mit anzusehen, wie er sich vor Unbehagen wand.
„Allerdings, darauf bestehe ich."
Sie zuckte die Achseln, als fände sie das Abkommen nicht besonders wichtig. In dieser kurzen Zeit war sie ihrem Ziel erstaunlich nahe gekommen. Das hatte sie nicht zu hoffen gewagt. John machte ausgezeichnete Fortschritte, und dafür verdiente er eine kleine Belohnung. Sie umfasste sein Kinn mit einem Daumen und einem Zeigefinger und hauchte einen Kuss auf seine Lippen.
Misstrauisch starrte er sie an. „Was soll das?"
„Mit diesem Kuss habe ich besiegelt, dass unser Abkommen auch weiterhin gilt."
„Oh, ich verstehe." Seine Augen funkelten. „Dann musst du's noch einmal tun. Ein Kuss genügt nicht."
Lächelnd erfüllte sie seinen Wunsch, und er überraschte sie, indem er ihre Lippen blitzschnell mit seiner Zunge berührte. Chloe kicherte entzückt.
„Was treibt ihr zwei unartigen Kinder da drüben?" unterbrach Zu-Zu das Tête-à-tête.
„Oh, wir warten nur auf die Fortsetzung Ihrer Geschichte, Madame." Johns Lächeln hatte etwas Wölfisches.
„Gewiss, da gibt es noch einiges zu erzählen, meine Lieben. Aber ich fürchte, es ist nicht besonders angenehm."
„War bisher irgendetwas angenehm?" flüsterte John seiner Frau zu. „Was habe ich verpasst?"
„Pst! Ich glaube, sie will uns was Wichtiges mitteilen."
„Ein schwarzer Tag für Frankreich ..." Zu-Zu ließ ihren Fächer in den Schoß sinken, eine Träne rollte über ihre Wange.
„Was meinst du?" fragte Maurice besorgt.
„Die Cyndreacs wurden gefangen genommen." Ausnahmsweise schwang in ihrer Stimme kein theatralischer Unterton mit. „Ich traf sie im Gefängnis."
Entsetzt schrien Simone und Chloe auf, was von Deiters Schnarchen untermalt wurde.
„Nicht die Cyndreacs!" klagte Chloe.
„Mon Dieu!", seufzte Simone. „Ganz Frankreich wird weinen."
„Nicht ganz Frankreich", widersprach Maurice.
Die Stirn gerunzelt, dachte John an die berüchtigten sieben Cyndreac-Brüder. Alle unverheiratet. Diese jungen Männer genossen den Ruf schamloser Schürzenjäger.
Zu Recht hatten sie den Spitznamen „die sieben Tod-Cyns" - sins, Sünden, Todsünden - erworben. Ein paar Mal hatte er sie auf verschiedenen soirees getroffen.
„Wurden sie alle gefangen genommen?" fragte Simone traurig.
„Ich glaube, einer ist entkommen", erwiderte Zu-Zu. „Soviel ich mich entsinne, sah ich nur sechs. Aber da bin ich mir nicht sicher."
„Welcher?" Chloe hatte die Cyndreacs gekannt, und diese Neuigkeit bestürzte sie zutiefst.
„Keine Ahnung." Zu-Zus Hand glitt durch die Luft. „Mit diesen schwarzen Haaren und typischen Cyndreac-Augen sehen sie alle gleich aus." Die Brüder waren sehr attraktiv, und jeder hatte die berühmten goldbraunen Cyndreac-Augen
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