0031 - Die Tiefsee-Monster
einem neuen Opfer Ausschau hielten. Und dann würden sie nicht lange zögern, das wußte Zamorra.
Mit kraftvollen Bewegungen kraulte er auf die Insel Kythnos zu.
Die Anstrengung war für den Professor so groß, daß die Küstenlinie der Insel vor seinen Augen verschwamm. Sein Wille wurde durch die Anstrengung völlig lahmgelegt. Lediglich sein Lebenswille, der von hilfloser Verzweiflung gelenkt und überlagert wurde, war das einzige, was ihn in Bewegung hielt.
Voraus vernahm er ein Brausen. Die Dünung wurde stärker.
Die Brandung! Land! schoß es Zamorra durch den Kopf.
Seine Bewegungen wurden immer langsamer. Ein eiliger Blick nach rückwärts sagte ihm, daß die Bestien ihr Mahl bereits beendet hatten. Unaufhaltsam näherten sich drei Rückenflossen dem Professor, dem fast das Blut in den Adern gefror.
Schon tauchte er in die weißgischtende Brandung, wurde herumgeschleudert und verlor für einige Momente völlig die Orientierung.
Das Wasser brüllte, stieß ihn vorwärts und riß ihn wieder zurück.
Doch er hatte es geschafft. Ein letzter Blick sagte ihm, daß die mordgierigen Raubfische abgedreht hatten. Hier in der Brandung zwischen den Riffen war es auch für sie zu gefährlich. Nur ein vor Gier und Hunger bereits nahezu kranker Fisch kannte da keine Hemmungen.
Im Schaum, der auf den Wellen lag, konnte Zamorra die Dreiecksformen der Rückenflossen erkennen. Sie glitten hin und her, als wären die Fische sich irgendwie unschlüssig.
Dann drehten die Flossen ab und entfernten sich hinaus aufs offene Meer.
Zamorra wollte wieder eine Schwimmbewegung machen, da wurde er von einer Woge ergriffen und in die Höhe getragen.
Er ruderte mit Armen und Beinen, versuchte irgendwie das Gleichgewicht und die Orientierung zu behalten.
Wie ein Reiter saß er in der Schaumkrone, die mit unheimlicher Geschwindigkeit den Strand hinaufraste. Dabei kippte sie über.
Zamorra sah den Sand auf sich zukommen. Eingebettet darin eine dunkle Kontur. Es war ein Felsbrocken.
Dann explodierte etwas in seinem Kopf, und sein Körper wurde schlaff.
Als wäre er ein Stück altes Treibholz, so spielten die Wellen mit dem Bewußtlosen und schoben ihn Stück für Stück auf den Strand und damit in Sicherheit.
***
Der Mann, der langsam durch den Sand schlenderte, war offensichtlich kein Einheimischer. Zwar hatte er schwarzes Haar, wie die meisten Menschen in dieser Region, doch wies seine Kleidung darauf hin, daß er nicht zu den Ärmsten gehören konnte.
Er trug braune Jeans, ein beiges Polohemd und an den Füßen Sandalen aus rotbraunem Leder. Sein Gesicht war schmal, und die ausdrucksvollen Augen schienen nach irgend etwas zu suchen.
Von Zeit zu Zeit bückte er sich, hob etwas auf, untersuchte es und warf es dann entweder fort oder steckte es in einen Leinenbeutel, den er sich um den Hals gehängt hatte.
Plötzlich stutzte er. Weit voraus machte er eine schwarze Gestalt aus, die halb im Wasser und halb im Trockenen lag. Er beschleunigte seine Schritte und eilte hin.
Er hatte sich nicht getäuscht. Es war wirklich eine menschliche Gestalt, ein Taucher wohl, der einen Tauchanzug trug.
Auf der Stirn des Tauchers leuchtete rot eine Platzwunde. Sie war wohl auch die Ursache für die Bewußtlosigkeit des Mannes.
Der Spaziergänger kniete nieder und fühlte nach dem Puls des Tauchers. Deutlich war er zu spüren. Allzu schlimm konnte es ihn also nicht erwischt haben.
Der Spaziergänger holte ein Taschentuch aus der Hosentasche und tupfte damit die Stirn des Verletzten ab. Dann zog er den Reißverschluß der Tauchkombination auf, die den Brustkorb des Tauchers beengte.
Ein Zipfel Papier schaute hervor.
Der Strandläufer griff danach und zog ein zusammengefaltetes Stück Pergament hervor. Er legte es in den Sand und schaute sich einigermaßen ratlos um. Er war etwas hilflos. Auch war er verwirrt.
Alles hätte er erwartet, nur nicht, am Strand einen Verletzten zu finden.
Allzulange konnte er hier noch nicht liegen. Denn seine Haare waren noch naß, und die Sonne brannte schon den ganzen Tag vom Himmel.
Er besann sich auf ein einfaches Hausmittel, schöpfte mit der hohlen Hand etwas Wasser auf und spritzte es dem Bewußtlosen ins Gesicht. Bei der dritten Dusche schlug der Taucher die Augen auf.
Er stöhnte und faßte sich an den Kopf.
»Vorsicht«, warnte ihn der Spaziergänger. »Ich glaube, Sie sind verletzt. Wie konnte das denn geschehen? Sind Sie etwa durch die Brandung geschwommen?«
Der Mann auf dem Boden erholte sich
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