0034 - Dracula gibt sich die Ehre
jetzt hier.«
»Verzeih…«
Kalurac schritt wirklich wie ein König durch die Leichenhalle. Mit weiten, raumgreifenden Schritten. Wenn er sich schnell bewegte, wurde sein Mantel herumgeworfen und blähte sich auf wie ein Vorhang. Es war nicht völlig dunkel in der Halle. In den Wänden steckten noch die alten, verrosteten Halter. Sie enthielten schwarze Kerzen, deren Dochte mit zuckenden Flammen brannten und ein bizarres Schattenspiel auf die dicken Steine warfen. Übergroß zeichneten sie den Schatten des Vampirs nach.
Einen Schatten, der vollkommen finster war, denn bei normalem Licht warfen die Blutsauger keinen Schatten, und sie zeigten auch kein Spiegelbild.
Abrupt unterbrach Kalurac seine Wanderung. Gespannt sahen die beiden Alten ihn an. »Was ist?« fragte Carl Ceprac.
»Er kommt.«
»Wer kommt?« wollte Ezra Mortimer wissen.
»Der Leichenwagen. Ich höre ihn genau.« Kalurac kicherte. »Und sie haben die Beute, das fühle ich.«
Ceprac stand auf. »Soll ich nachsehen?« Er lief schon auf die Tür zu.
»Nein, bleib hier. Wir werden sie hier erwarten.« Die beiden alten Vampire hatten längst nicht so ein gutes Gehör wie Kalurac. Es dauerte einige Zeit, bis auch sie das Motorengebrumm vernahmen.
Dann klappten Wagenschläge, und wenig später wurde die Tür aufgestoßen. Zwei Vampire betraten die Leichenhalle. Sie waren nicht allein!
Zwischen ihnen hing eine blonde Frau. Sie wirkte benommen. Ihre Füße schleiften über den Boden. Das Kleid war an der linken Seite bis zum Schenkel herauf zerrissen. Das sorgfältige Make-up war zerlaufen und zeichnete dunkle Striche in ihrem Gesicht nach.
Allein konnte sich die Frau kaum auf den Beinen halten. »Ist sie das?« flüsterte der alte Ceprac.
»Ja!« rief Kalurac triumphierend aus. »Das ist sie. Sheila Conolly, die Frau von Sinclairs bestem Freund. Der gute Bill wird durchdrehen, ebenso wie Sinclair!«
Der Vampir trat auf Sheila zu. »Sieh mich an!«
Mühsam hob Sheila Conolly den Kopf.
Ihr Gesicht befand sich dicht vor dem des Untoten. Kalurac zog die Lippen zurück und präsentierte seine beiden dolchspitzen Zähne. »Na, wie fühlst du dich?« fragte er.
»Bitte«, flüsterte Sheila, »bitte, lassen Sie mich. Ich…«
Die Untoten lachten. »Sie hat Angst!« schrie Kalurac. »Seht, sie hat Angst!«
Ezra Mortimer streckte den Arm aus und spreizte die Finger. Er fuchtelte damit dicht vor Sheilas Gesicht herum.
»Als ob wir keine Angst gehabt hätten in all den Jahren. Diesmal sollst du spüren, was wir gefühlt haben, und dann, wenn es soweit ist, wenn du…«
»Laß sein!« befahl Kalurac. »Ihr steht ja noch einiges bevor. Schafft sie erst einmal in das Gewölbe! Dort kann sie dann in illustrer Gesellschaft über alles nachdenken.« Er deutete auf die Tür. »Weg mit ihr!«
Gorum und Vlado schleiften Sheila fort. Die anderen schauten ihnen nach.
»So ist es recht!« zischte Ceprac. »So muß es sein. Die alten Zeiten kehren zurück. Ich spüre es, und ich bin stolz auf meine beiden Söhne, die noch nichts verlernt haben.«
Kalurac winkte ab. »Warte erst einmal, bis Rebecca zurück ist. Mal sehen, ob sie ihrer Aufgabe gewachsen war.«
Ceprac kicherte. »Und ob. Rebecca wird es schaffen. Auf Männer war sie schon immer scharf. Sie hat sie alle um den Finger gewickelt. Wie es ihr beliebte.«
Das paßte Kalurac nicht in den Kram, schließlich war er selbst scharf auf die rothaarige Rebecca. Und er wollte sie auf keinen Fall mit jemanden teilen. Er beschloß, bei passender Gelegenheit ein Wörtchen mit dem weiblichen Vampir zu reden.
Inzwischen wurde Sheila Conolly die Treppe hinuntergeschleift. Die Blutsauger gingen nicht eben zart mit ihr um. Immer wieder gerieten sie in Versuchung, Sheila anzugreifen, doch dann siegte die Angst. Sie hatten den strikten Befehl, die Gefangene in Ruhe zu lassen. So lange jedenfalls, bis neue Anordnungen gegeben wurden.
Und die würden irgendwann kommen. Da waren sich die beiden Untoten sicher…
***
Schwer rollte sich Dom de Louise auf die andere Seite. Fast wäre er vom Bett gefallen. Im letzten Moment stutzte er sich mit der Hand ab und blieb liegen.
Nur allmählich geriet sein Gedankenapparat wieder auf Touren. Diese Rebecca war ein Höllenweib. Im wahrsten Sinne des Wortes. Eiskalt hatte sie ihn reingelegt. Es war nicht einmal zum Austausch von Zärtlichkeiten gekommen. Dom de Louise hatte plötzlich einen scharfen Biß am Hals gespürt, dann war der Schwindel gekommen und hatte ihn hineingezogen
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